Welche der Geist treibt, die sind Gottes Kinder – Predigt zu Römer 8,14-17
Predigt am 01. September 2024 in Nehren und Ofterdingen
Hören wir auf unseren Predigttext aus Römer 8, 14-17
14 Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.
Lutherbibel 2017
15 Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen Geist der Kindschaft empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater!
16 Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind.
17 Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, da wir ja mit ihm leiden, damit wir auch mit ihm zur Herrlichkeit erhoben werden.
Welche der Geist treibt, die sind Gottes Kinder. Nehmen wir einmal dies als Leitsatz unserer Überlegungen.
Und stellen uns die Frage:
Was treibt mich eigentlich an?
Lust, Frust?
Angst, Gier, Geiz oder Geist? Und wenn Geist:
Was ist Geist?
Gibt es nur einen? Oder mehrere?
Und wenn: Welcher von den vielen Geist-en treibt mich an? Ist es der Geist Gottes? Und wenn ja, woran erkenne ich den dann?
Paulus unterscheidet hier verschiedene Geister und sagt:
Es gibt einerseits einen knechtischen Geist und andererseits einen kindlichen Geist. Er erklärt nicht, was den knechtischen Geist ausmacht, aber es fällt einem ja auch so etwas dazu ein: Was macht knechtischen Geist aus?
Nun. Ein Knecht oder Sklave hat ja nicht die Wahl, er ist gebunden durch Zwang und Gewalt, er kann nicht anders – er muss.
Ein Sklavengeist oder knechtischer Geist ist also der Geist eines Menschen, der unfrei ist.
Ob er will oder nicht, er muss.
Ein Zeichen dieser Unfreiheit kann Unruhe sein, Unzufriedenheit. Ein Mensch, der nie genug hat, dem man es nie recht machen kann. Der mit sich und der Welt unzufrieden ist, im Unfrieden ist.
Der an seinen unsichtbaren Gitterstäben rüttelt, auf und ab tigert wie ein Tier im Käfig.
An seine Ketten reibt.
Rastlos, ratlos, respektlos, ruhelos.
Ein anderes Zeichen kann auch Lieblosigkeit sein. Lieblosigkeit, Geringschätzung – mangelnde Achtsamkeit im Umgang mit anderen genauso wie im Umgang mit mir selbst. Ein Sklave gehört sich nicht, also warum sollte er auf sich achten?
Weil es sich so gehört? Und was hätte er davon, wo er sich nicht hat?
Ein weiteres Zeichen der Abhängigkeit ist mangelnde Ausgeglichenheit.
Das Leben in Extremen, entweder Dumpfheit, Apathie, wenn alles egal ist und einem der Antrieb fehlt. Aber auch das Gegenteil: leichte Reizbarkeit, die Ablehnung aller Änderungsvorschläge bis hin zur Aggressivität. Typische Abhängigkeiten in unserer Gesellschaft sind Alkohol und Tabletten. Wenn ich nicht mehr ohne kann: einschlafen, aufstehen, fröhlich sein… Dann werfe ich was ein.
Verstärkt kommen jetzt Computer und Handy dazu, wenn ich stundenlang vor irgendwelchen Spielen hänge oder das Smartphone nicht mehr weglegen kann. Alle paar Minuten drauf gucken muss.
Nicht immer weiß der Abhängige, dass er abhängig ist. Der Prozess der Gewöhnung beginnt mit kleinen Gewohnheiten.
Gewohnheiten sind anfangs wie Spinnfäden.
Später fesseln sie wie Seile.
Am Ende sind sie Ketten. Daher fällt dem Getriebenen sein Getriebensein gar nicht selber auf. Dem Handy-Süchtigen seine Handy-Sucht.
„Nu leg doch mal das Ding weg!“
Ja, ja. Sagen sie, tun es dann weg, um es schwupps ein paar Minuten später wieder in der Hand zu haben. Eine junge Frau in Berlin hat als Selbsterfahrungs-Experiment zwei Wochen bewusst auf ihr Smartphone verzichtet. Sie hat einen Bericht darüber verfasst und sagt: Es war für mich die Hölle.
Ich war unruhig und fühlte mich wie abgeschnitten. Das, so lautete ihr Fazit: „will ich nie wieder erleben!“
Für Paulus wäre das ein knechtischer Geist. Ein Geist, der nicht frei ist, etwas zu tun oder auch zu lassen.
Stets von innerer Unruhe geprägt und von Ängsten getrieben.
Angst, etwas zu verpassen,
Angst, was die anderen jetzt gerade denken und machen, ob sie gar etwa lachen – ohne mich – über mich… Schreck-lich!
Typisch für den Knechtsgeist ist die Abhängigkeit und die Maßlosigkeit.
Ob Alkohol oder Handy-Sucht, es ist immer zu wenig, oft zu viel, aber nie genug.
Immer zu wenig, auch wenn ich schon x-mal drauf geguckt hab, gleich nach dem Aufwachen und dann immer wieder, mehrmals am Tag, mehrmals die Stunde, eigentlich viel zu oft – und doch nie genug. Nie ist es genug.
Das ist das Wesen des Knechtsgeist.
Ganz anders ist es bei euch, schreibt Paulus an die Gemeinde in Rom:
Welche der Geist treibt, die sind Gottes Kinder.
Nicht seine Sklaven.
Welche der Geist treibt… Auch sie sind gebunden aber nicht in Ängsten und Zwängen, sondern in Liebe und Vertrauen. Wie kleine Kinder, die glauben, hoffen und erwarten dürfen, dass ihre Eltern für sie sorgen, ihnen helfen, es gut mit Ihnen meinen, Entscheidungen für sie treffen, sie ermuntern, ermahnen, sie trösten und in den Arm nehmen. So, sagt Paulus, ist Gott für uns.
Und das nennt er den kindlichen Geist, den wir uns bewahren sollen.
Die Zeichen des kindlichen Geistes sind eben nicht Unruhe, Abhängigkeit und Maßlosigkeit. Sondern im Gegenteil:
Liebe, Heiterkeit und Freude –
Geduld und Gelassenheit –
Mut, Hoffnung, Vertrauen
und vor allem Dankbarkeit.
Dankbarkeit ist mehr als Bitte und Danke sagen.
Das ist nur Höflichkeit.
Es ist auch mehr als bloß Zufriedenheit.
Es gibt Menschen, die sagen:
„Danke, wir sind zufrieden.“ Aber Zufriedenheit sieht nur sich selbst.
Dankbarkeit hat ein viel weiteres Herz. Es geht nicht nur darum, dass es mir gut geht.
Ich kann, wenn ich bete und dabei an andere denke, nicht nur für sie oder für mich bitten.
Auch wenn ich Gott mein Leid klage und ihn um Kraft und Geduld bitte, kann ich auch für andere danken. Und das ist ja viel mehr als: Ich bin zufrieden.
Dankbarkeit ist nicht auf Personen beschränkt. Es gibt so vieles, was mir Freude schenkt – und für das ich Gott danken kann. Gott danken will: Danke für dieses Haus,
das Dach darüber,
die Dohlen darauf,
den Himmel und die Wolken darüber
und die Sonne, die darauf scheint. Danke für Eltern und Kinder.
Danke für den Nachbarn nebenan,
den Freund, die Freundin. Danke für die Blumen und das Rattern der Rasenmäher.
Die Regenwürmer und das Gewitter gestern Nacht. Danke für die Dunkelheit, die zu mir spricht, Danke für Farben und Wärme und Licht.
Dankbarkeit ist mehr als nur Spaß haben und dem Lustprinzip gehorchen: „Meide den Kummer und meide den Schmerz“
Ist das Leben ein Scherz?
Nein.
Dankbarkeit ist eine tiefe Verbundenheit mit Gott.
Mit allem, was er geschaffen hat. Von dem er einst am Tag der Schöpfung sagte:
Siehe, es ist sehr gut. Verbundenheit mit allem. Verbundenheit auch untereinander – das kennzeichnet die Kinder Gottes. Das unterscheidet sie von den Gebundenen, die sich nur selbst sehen können. Ihre Sorgen. Ihre Ängste. Ich, ich, ich.
Vergesst euere Sorgen, sagte schon Jesus zu seinen Jüngern.
Seht die Vögel im Himmel und die Blumen auf dem Feld – wie prächtig sie gekleidet sind. Also lasst eure Sorgen Sorgen sein.
Lasst eure Ängste Ängste sein.
Lasst euer Nachrichten Nachrichten sein. Und hebt einmal den Kopf und seht euch um.
Wer weiß, was ihr dann seht? Vielleicht ist gerade heute ein bisschen Schönheit zu erhaschen. Ein Augenblick, ein Moment nur, der nur euch gehört und euch ganz allein. Es ist Sonntag. Ihr habt Zeit. Lasst euch treiben, nicht antreiben. Hebt den Kopf und habt im Blick:
Wie schön doch diese Erde ist, was für ein wunderbarer Planet, ein Paradies. Und wir mittendrin. Wie schön, dass wir Gottes Kinder sind.