Schlagwort: Predigt

  • „Fürchtet Euch nicht!?“ Predigt zu Matthäus 14, 22-33

    „Fürchtet Euch nicht!?“ Predigt zu Matthäus 14, 22-33

    Fürchtet Euch nicht!

    Fürchte dich nicht!

    In der Bibel kommen diese Worte, ich selbst habe es nicht gezählt, 124 mal vor.

    Aber je öfter mir so etwas gesagt wird, je skeptischer werde ich.

    „Fürchte dich nicht, du musst keine Angst haben – alles wird gut“.
    Wenn ich das höre, denke ich: Das ist doch wie „Pfeifen im Wald“.

    Wenn die Angst angesprochen wird, dann ist sie doch längst da.

    Mir helfen jedenfalls keine Apelle gegen die Angst.

    Ja, auch ich habe manchmal Angst.

    Glauben Sie, dass, wer an Gott glaubt, keine Angst haben darf?

    Müssen wir furchtlose Glaubenshelden sein?

    In der Bibel finden wir oft Menschen, denen Ängste und Furcht nicht fremd sind.

    „Deine Wellen überfluten mich“ (Ps 42,8), klagt einer im Gebet.
    „Die Angst meines Herzens ist groß“ (Ps 25,17),
    „des Totenreichs Schrecken hatten mich getroffen; ich kam in Jammer und Not“ (Ps 116,3).

    Wir müssen uns mit der Angst auseinandersetzen. Es führt kein Weg daran vorbei.
    Angst gehört zum Leben.
    Leben ohne Angst gibt es nicht.

    Wir müssen immer wieder Wege aus der Angst finden. Doch wie könnte so ein Weg aussehen?

    Nicht, wenn wir die Angst um jeden Preis unterdrücken, verbieten oder vermeiden wollen.
    Auch können wir sicherlich nicht die Angst bekämpfen oder in einem heroischen Kraftakt überwinden.

    Wenn wir in eine lebendbedrohliche Situation geraten oder uns auf einem gefährlichen Irrweg befinden, dann sagt uns die Angst: „Mach was! Hau ab oder kehre um, ändere dein Leben, sonst ist es vorbei!“
    Das ist die wichtige Botschaft der Angst.
    Bei Gefahr läuft bei Krokodilen, Igeln oder Pantoffeltierchen eine automatische Reaktion ab.
    Dies sichert deren Überleben oder eben nicht.

    Im Gegensatz dazu haben wir Menschen ein lernfähiges Gehirn. Es ist in der Lage Wege aus der Angst zu suchen und immer wieder auch zu finden.

    Angst haben hat etwas mit Nachdenken zu tun. Nur wer Nachdenken kann, der kann Angst haben.
    Wir Menschen sind Suchende.
    Wir sind deshalb auch in der Lage Wege aus der Angst zu suchen und zu finden.

    Ich finde, das ist eine tröstliche Botschaft mitten von allem war mir gerade Angst macht.
    Angst vor der Zukunft.
    Angst vor Krankheit,
    Angst, wie es mit der Pandemie weitergeht.
    Angst, vor Ansteckung und so weiter und so weiter ….

    Wege aus der Angst zu finden, bedeutet ausprobieren.
    Suchen, was möglich, sinnvoll, realistisch und mit dem eigenen Leben vereinbar ist.

    Keiner von uns ist ein Superheld, der immer die richtige Lösung weiß.
    Es braucht manchmal viele Gespräche und viel Vertrauen, damit Risiken und Möglichkeiten abgewogen werden können. Bis sich ein Weg öffnet, der einen nächsten Schritt erlaubt.

    Es gibt eine biblische Geschichte, die einen Weg aus der Angst nacherzählt.

    Jesus geht über das Wasser
    22Sofort danach (Anmerkung: Nach der Speisung der 5000) drängte Jesus die Jünger in das Boot zu steigen. Sie sollten an die andere Seite des Sees vorausfahren. Er selbst wollte zuerst noch die Volksmenge verabschieden.23Als die Volksmenge weggegangen war, stieg er auf einen Berg, um in der Einsamkeit zu beten. Es war schon Abend geworden und Jesus war immer noch allein dort.24Das Boot war schon weit vom Land entfernt. Die Wellen machten ihm schwer zu schaffen, denn der Wind blies direkt von vorn.25Um die vierte Nachtwache kam Jesus zu den Jüngern. Er lief über den See.26Als die Jünger ihn über den See laufen sahen, wurden sie von Furcht gepackt. Sie riefen: »Das ist ein Gespenst!« Vor Angst schrien sie laut auf.27Aber sofort sagte Jesus zu ihnen: »Fürchtet euch nicht! Ich bin es. Ihr braucht keine Angst zu haben.«
    Petrus findet Halt bei Jesus
    28Petrus sagte zu Jesus: »Herr, wenn du es bist, befiehl mir über das Wasser zu dir zu kommen.«29Jesus sagte: »Komm!« Da stieg Petrus aus dem Boot, ging über das Wasser und kam zu Jesus.30Aber auf einmal merkte er, wie stark der Wind war. Da bekam er Angst. Er begann zu sinken und schrie: »Herr, rette mich!«31Sofort streckte Jesus ihm die Hand entgegen und hielt ihn fest. Er sagte zu Petrus: »Du hast zu wenig Vertrauen. Warum hast du gezweifelt?«32Dann stiegen sie ins Boot und der Wind legte sich.33Die Jünger im Boot warfen sich vor Jesus nieder. Sie sagten: »Du bist wirklich der Sohn Gottes!«

    Basisbibel Matthäus 14,22-33

    Mitten in der Nacht – das ist ein ziemlich gutes Bild für die Angst.

    Denn in der Nacht passieren Dinge, die wir nicht im Griff haben.
    Geräusche, die nicht einzuordnen sind.
    Träume, die uns aufschrecken.
    In der Nacht verstärkt sich das Gefühl völlig alleine zu sein.
    Weil die Augen die Dunkelheit nicht durchdringen können.
    Weil sich alles, was wir bei Tageslicht unter Kontrolle haben, sich fremd und ungreifbar anfühlt.

    Die Vorstellung, dass wir einer Bedrohung hilflos ausgeliefert sind, macht Angst.
    Die Vorstellung, dass wir eine Bedrohung nicht rechtzeitig erkennen können, macht Angst.
    Die Vorstellung, dass wir keine geeigneten Mittel zur Hand haben, um die Bedrohung abwenden zu können, macht Angst.
    Die Vorstellung, niemanden zu finden, wenn ich alleine nicht mehr weiterweiß, macht Angst.

    Allein schon diese Vorstellung löst in uns ein gewaltiges Durcheinander aus.
    Erst, wenn wir wieder etwas finden, an dem wir uns ausrichten können, hört dieses Durcheinander auf.

    Es geht darum, einen „inneren Kompass“ zu finden.
    Gibt es etwas, was mir so wichtig ist, dass ich danach alles ausrichte?
    Mein Tun und Lassen; auch im Traum?

    Das muss ich für mich selbst herausfinden.
    Wir wissen es alle – tief in unserem Inneren.
    Wir müssen es nur finden.

    Es ist eine Erfahrung, die viele Menschen machen:
    Selbst, ohne genau zu wissen, was sie da eigentlich tun, richten sie sich danach aus.

    Was passiert mit den Jüngern im Boot?
    Wie ist das mit ihrem Kompass?
    Was hilft, damit es einen Weg aus der Angst gibt?

    Der Kompass, so viel ist klar, ist nicht einfach Jesus.

    Du musst nur glauben, sagen manche – dann ist die Angst weg.

    Aber das stimmt nicht!

    Das haben schon so viele erlebt:
    Mitten in der Nacht – da kann dieser Jesus aussehen wie ein Gespenst.
    Kein Wunder, dass die Jünger vor Furcht aufschreien und sich – so stelle ich es mir vor – erstmal im Boot wegducken. Vielleicht geht der Spuk weg, wenn wir nicht hinschauen!

    Das ist eine Möglichkeit. Augen zu und wegducken. Manchmal hilft es ja.
    Manchmal kann es eine gute Strategie sein, nicht immer hinschauen oder alles hautnah an sich herankommen zu lassen. Manchmal sagt mir mein innerer Kompass: Du musst nicht stark sein.

    Andere haben andere Strategien. Petrus zum Beispiel redet den, der da so geisterhaft daherkommt, an. Vielleicht erinnert er sich an die Sache mit der Nachfolge. Schließlich hat es schon ein paarmal geklappt, wenn Jesus Menschen gerufen hat. Die sind dann mitgegangen, obwohl das nicht immer einfach war.

    Die haben sich Jesus zum Vorbild genommen. Was der kann, das kann ich auch.

    Sich in der Angst zurückziehen oder nach vorne gehen.

    Beides können sinnvolle Strategien sein.

    Manchmal legt sich die Angst und Verwirrtheit beim genauen Hinschauen. Wenn es möglich ist zu überlegen:
    Was wäre ein hilfreicher Schritt?
    Was hat schon mal geholfen?
    Was traue ich mir zu?
    Wofür gibt es Unterstützung und von wem?
    In welche Richtung zeigt der Kompass jetzt?

    Manchmal greift keine dieser Strategien.
    Manchmal rutscht uns der Boden unter den Füßen weg,
    Manchmal versinken wir in Angst und Dunkelheit.

    Nicht einmal die, die schon viel mit Jesus erlebt haben, können sich darauf verlassen, dass es immer gut geht.
    Nicht einmal die, die sich schon oft auf seine Worte verlassen haben. Die sich hinausgewagt haben.
    Nicht einmal die, von denen alle anderen sagen: Der muss es doch schaffen, wer, wenn nicht der ….

    Ist einer womöglich selber schuld, wenn das Wasser nicht fest wird unter seinen Füßen und es ihn nun bis zum Hals steht?
    Hättest du mehr geglaubt, fester gehofft, drängender gebetet!

    Da muss ich nicht nur durch Angststürme gehen, sondern bekomme auch noch gesagt:
    Wieder nicht genug gebetet.
    Wieder nicht genug geglaubt.
    Wieder nicht genug gehofft.

    Du Kleingläubiger?

    Kleinglauben. Oligopiistos.

    Das ist ein Wort, das im Matthäusevangelium immer wieder vorkommt. Immer wenn es darum geht, die Situation der Jüngerinnen und Jünger zu beschreiben, wenn sie Jesus begegnen.
    Es ist eine Art Bestandsaufnahme.
    Gerade in diesen Momenten, in denen gespürt wird, dass einem die Angst überflutet:
    kleiner Glaube, großer Zweifel, Riesenangst….

    Und dann passiert es. Genau in diesem Moment, in dem das mit dem Kleinglauben und dem Zweifel ausgesprochen wird.
    Es ist so unspektakulär, wird fast nebensächlich erwähnt: Und sie traten in das Boot …, Petrus und Jesus. Beide zusammen.
    In dieses Nussschalenboot mitten in der aufgewühlten Angstsee.
    Und der Sturm merkt, dass er jetzt keine Macht mehr hat. Und er legt sich. Und es wird still …

    Wege aus der Angst.
    Diese Geschichte ermutigt mich, die Angst ernst zu nehmen.
    Weil hier die Angst nicht weggeredet wird.
    Weil sie mich anregt, auszuprobieren, was sich womöglich schon bewährt hat: Gemeinsam mit anderen, die auch Angst haben, nach einem Ausweg zu suchen.

    Vertrauen

    Aber manchmal hilft das alles nicht.
    Manchmal geht es vor allem darum, mitten in der Angst wieder das Vertrauen zu finden.
    Sich mit dem zu Verbinden, dem vertraut werden kann.
    Da geht es nicht nur um einen Menschen, der Helfen will. Mit Zuspruch, Unterstützung oder einem „Komm“ mit ausgestreckter Hand.

    Da geht es um mehr.
    Da geht es um Liebe.
    Da geht es um Geborgenheit.
    Und da geht es um Dinge, die mit Worten allein nicht ausreichend beschrieben werden können.

    Auch in dieser Geschichte von der Angst mitten in der Nacht gibt es diesen besonderen Moment, wo Worte nicht reichen.
    Was geschieht, geschieht ohne Worte. Sollen wir es Offenbarung nennen?

    Dann stiegen sie ins Boot und der Wind legte sich. Die Jünger im Boot warfen sich vor Jesus nieder. Sie sagten: »Du bist wirklich der Sohn Gottes!«

    Die Jünger erlebten auf einmal, was dieses „Fürchte dich nicht“ mitten in der Angst bedeutet.
    Das „Fürchte dich nicht“ ist im Boot mit ihnen. Ist da, lässt sich anfassen und ansprechen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!

    In diesem Moment geht Jesus hinein in die Angst, in meine Angst, in mein Nussschalenboot mitten in der aufgewühlten See.
    Er steigt mit ins Boot, obwohl er es wirklich nicht müsste.
    Aber da ist er, mitten im Boot.

    Einander nicht allein lassen in der Angst. Das ist schon viel.
    Dabei hilft es mir zu wissen, dass die Angst menschlich ist, dass sie zu uns Menschen gehört.
    Ohne Angst können wir uns nicht weiter entwickeln. Sie ist eine Chance zu lernen, neue Möglichkeiten zu lernen.

    Deshalb ist es gut, die Angst genau anzuschauen, sich mit ihr vertraut zu machen. Denn nur wenn ich ihr nicht ausweiche, kann ich entdecken, was mir Mut macht. was mich vertrauen lässt, was mich beruhigen kann.

    Aber der innerste Kern, weshalb dieses „Fürchte dich nicht“ wirken kann, sind nicht Worte. Es braucht ein Du, das mitten in der Angst anwesend ist.
    Jedes „Fürchte dich nicht“ in der Bibel ist eine Kurzfassung der Zusage Gottes: „Fürchte dich nicht, ich bin bei dir … Ich bin dein Gott …
    So Redet Gott uns mitten in der Angst an.
    So ermutigt er uns zum Du.

    Es ist die Intimität und Nähe einer Liebesgeschichte.
    Der, der mich in solchen Momenten anspricht, der hört mein ganz leises, fast stimmlos geflüstertes „Du“.
    Dann kann es passieren, dass ich mich angesehen und angesprochen fühle.
    Mitten in meiner Angst. Nach Halt suchend.
    Wenn ich auf die Wellen starre, mit einer Seele, die vertrauen will und doch immer wieder zweifelt in meinem Nussschalenboot in rauer See.

    Dieses „Fürchte dich nicht“, das gilt auch mir. Mitten in meiner Angst. Gibt mir ein Gesicht, eine Melodie, ein Wort, eine Hand.

    Dieses Wort Gottes: „Ich bin da“ ist tröstend und ermutigend.
    Dieses Wort Gottes Ist ein Weg aus der Angst.

    Gott sei Dank – und Amen.

  • Das geknickte Rohr – Predigt zu Jesaja 42,1-9

    Das geknickte Rohr – Predigt zu Jesaja 42,1-9

    Haben Sie einen Satz, der Ihnen besonders lieb ist?

    Gibt es einen biblischen Satz, der Ihnen besonders wichtig ist?

    Am liebsten würde ich jetzt Ihre Lieblingssätze anhören – und natürlich auch, weshalb Ihnen diese Worte so viel bedeuten.

    Der biblische Satz, der mir wichtig und lieb ist, steht im 42. Kapitel des Prophetenbuches Jesaja.

    Er beschreibt den Menschen, an dem Gott Gefallen findet und ihn stützt.

    Es ist der 3. Vers:
    „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus.“

    Ich dachte immer, dass sich der Satz auf Jesus bezieht und war ganz überrascht diesen Vers im Alten Testament zu finden.

    Doch hier freut sich Gott an einem Menschen, der sich mit jenen abgibt, die in ihrem Leben fast ganz unten angekommen sind.
    Für sie und mit ihnen ist er da und hütet oder behütet den kleinsten Funken Hoffnung.
    Diesen Jemand liebt und stützt Gott, heisst es bei Jesaja, denn:‚Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus‘.

    Als dieser Satz niedergeschrieben wurde, war er an das Volk aus Juda im babylonischen Exil gerichtet, damals im 6. Jh. v.Chr..
    Das Volk sollte durch den babylonischen König Nebukadnezar ausgerottet werden.
    Er hatte bereits Jerusalem und den Tempel zerstören lassen.
    Er hatte einen Grossteil des Volkes nach Babylonien zwangsumsiedeln lassen.
    Das Volk mit seinem Glauben an den einen Gott Jahwe sollte ausgelöscht werden.
    Es war damals für die Juden eine ganz, ganz schwierige Zeit.
    Die Menschen wurden gebrochen, ihre Würde geknickt.

    Da war kaum mehr Hoffnung und innerlich begeistertes Lebensfeuer.
    Dem Volk war eine Zukunft in Freiheit und Gerechtigkeit ausgelöscht, niedergebrannt.
    Es war fast ganz unten.
    Die allermeisten dachten: „Uns ist nicht mehr zu helfen, wir gehen nur noch zugrunde.“

    In diese Volks-Situation hinein sprach der namenlose Prophet als Gottes Beauftragter den Satz der Ermutigung.
    Er tröstete und festigte seine Leute mit dem Hinweis auf den, der ihnen aus ihrer großen Not helfen wird.

    Es wird ihn geben.
    Es gibt ihn:
    „Es gibt sie unter euch, die sich mit euch an die gebrochene Geschichte setzen.
    Die euch nicht noch ganz brechen, sondern euch sorgsam und gerecht wieder aufrichten.
    Es gibt ihn.
    Es gibt sie unter euch, die sich mit euch ins Finstere der Ausweglosigkeit setzen und euer bisschen Hoffnung nicht auslöschen, sondern dem Lebensfunken in euch behutsam und geduldig anfachen. Die Sorge tragen bis das Feuer wieder brennt.

    Was vor mehr als 2500 Jahren das jüdische Volk als grausame, tragische Geschichte erlebte – und später im 20. Jh. wieder -, erleben heute andere bedrohte Völker auf dieser Erde.
    Anders zwar, aber nicht weniger schmerzlich.
    Die indogenen Völker in Latein- und Nordamerika, die Tibeter, die Uiguren, die Christen im Sudan und im Irak.
    Sie und andere Völker dazu sollen gebrochen, geknickt und am liebsten ausgelöscht werden.

    Eine politische Herausforderung

    Gott hat Gefallen an ihm, der helfend ganz nach unten geht.
    Ihn nennt Gott ‚mein Knecht, den ich stütze‘.
    Wir können sicher auch sagen: Gott nennt sie ‚meine Dienerin, die ich stütze‘.

    Im Buch Jesaja steht:
    „Gott hat Gefallen an jenen und stützt sie, die das geknickte Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen.“
    Eine politische Herausforderung für alle, die sich Christen und Juden nennen. Für alle, denen die Heilige Schrift Gottes Absicht für alle Völker offenbart.

    Es gibt sie, die Männer und Frauen, die sich jener liebevoll annehmen, die im Leben einen Knacks bekommen haben. Deren Geschichte schmerzhafte, hindernde Brüche kennt – aus was für Gründen auch immer.
    Es gibt sie, die Leute, die für jene einstehen, die auf der Schattenseite des Lebens verkümmern.
    Die sich nur noch in die Einsamkeit zurückziehen und sich verschliessen – aus was für Gründen auch immer.

    Es gibt sie zwar auch, auch als Christen, die Menschen, die manchmal schnell bereit sind zu sagen: „Selber schuld; jetzt soll halt ganz fallen, was am Fallen ist; jetzt soll halt ausgelöscht werden, was nur noch so am Flackern ist.
    Menschen sind manchmal stark im Zerbrechen geknickter Rohre, im Auslöschen glimmender Dochte.

    Doch in der Heiligen Schrift sagt Gott, dass er den Umgang mit den Schwachen, vielleicht Versagenden und den seelisch Armen anders sieht.
    Er hat Gefallen an allen, die in seinem Geist handeln, und nennt sie seine Diener und Dienerinnen, denn:
    „Das geknickte Rohr brechen sie nicht und den glimmenden Docht löschen sie nicht aus.“

    Ich möchte einfach gerne allen danken, die als gute und behutsame Dienerinnen und Diener Gottes gebrochene und umnachtete Mitmenschen liebevoll und helfend begleiten.
    Ich tue dies nicht nur aus theoretischem Einverständnis mit meinem biblischen Lieblingssatz, sondern aus persönlicher Erfahrung und Betroffenheit.

    Das eigene Gebrochen sein

    Ich kenne, wie sicher einige von Ihnen auch, das eigene Gebrochen sein wie ein geknicktes Rohr, das eigene Sitzen im Finstern und in der inneren Kälte wie ein noch glimmender Docht.
    Aus vielen Gründen gibt es manchmal für junge und ältere Leute so nichts Freudiges mehr.
    Kein Ziel.
    Nichts, wofür es sich eigentlich lohnt.
    Gesammelte Enttäuschungen vielleicht.
    Schuld und Ausweglosigkeiten, Erniedrigung und Demütigungen.

    Vielleicht ist alles so wie zu einer blossen Frage ohne Antwort, zu einem Gedankenstrich ohne Folgetext geworden.
    Da denke ich dankbar an all jene, die mich und andere nicht noch ganz gebrochen und ausgelöscht haben, sondern uns beim Aufrichten und beim Finden des inneren Lichtes liebevoll geholfen haben.

    Zur Zeit des babylonischen Exils hat der Prophet kaum auf einen Knecht Gottes hingewiesen, der dann nach über 500 Jahren einmal kommen wird.
    Es war damals sicher nicht eine Verheissung, die sich in Jesus Christus dann einmal erfüllen sollte.
    Da müssen wir unsere jüdischen Mitmenschen fragen, wie sie die Erfüllung der Prophetie verstehen.

    Doch als Christ darf ich, als Christen dürfen wir uns trotzdem fragen, wie weit Jesus Christus für uns der ist, der unser Leben immer wieder will, auch wenn wir noch so am Boden liegen.
    Für mich ist er so ein Gottesknecht in seiner radikalen Hingabe für die Schwachen, für die ganz unten.
    Ihm ging und geht es immer drum, dass die Menschen aus ihrer Not Erlösung finden.
    Dass sie aus ihrem Dunkel zum Licht finden.
    Dass sie aus ihrem Gefangen sein zur Freiheit und aus ihrem Unrecht zur Gerechtigkeit finden.
    Dafür hat er sich bis zu seinem Tod und in seine Auferstehung als Hoffnungszeichen auch für uns eingesetzt.

    Ich weiß, dass er es für mich, für Sie, für alle Menschen bis heute weiter tut.
    Ich glaube, dass er nicht müde wird bis alle Aufgerichtet und zum Licht des wirklich Glücklich gefunden haben.

    So höre ich gerne mit Ihnen meinen biblischen Lieblingssatz im Zusammenhang mit dem ganzen Lied vom Gottesknecht:

    Lutherbibel 2017 – Jesaja 42, 1-9

    Siehe, das ist mein Knecht, den ich halte, und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen.
    Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen.
    Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus.
    Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung.
    So spricht Gott, der HERR, der die Himmel schafft und ausbreitet, der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Atem gibt und Lebensodem denen, die auf ihr gehen:
    Ich, der HERR, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand. Ich habe dich geschaffen und bestimmt zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden, dass du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker.
    Ich, der HERR, das ist mein Name, ich will meine Ehre keinem andern geben noch meinen Ruhm den Götzen.
    Siehe, was ich früher verkündigt habe, ist gekommen. So verkündige ich auch Neues; ehe denn es sprosst, lasse ich’s euch hören.

    chen, ihre Würde geknickt. Da war kaum mehr Hoffnung und innerlich be-geistertes Lebensfeuer. Dem Volk war eine Zukunft in Freiheit und Gerech-tigkeit ausgelöscht, niedergebrannt. Es war fast ganz unten. Die allermeisten dachten: ‚Uns ist nicht mehr zu helfen, wir gehen nur noch zugrunde‘.In diese Volks-Situation hinein sprach der namenlose Prophet als Gottes Beauftragter den Satz der Ermutigung trotz allem. Er tröstete und festigte seine Leute mit dem Hinweis auf den, der ihnen aus ihrer grossen Not hel-fen wird. Es wird ihn geben. Es gibt ihn:‚Es gibt sie unter euch, die sich mit euch in die gebrochene Geschichte setzen, und euch nicht noch ganz brechen, sondern euch sorgsam und gerecht wieder aufrichten.Es gibt ihn. Es gibt sie unter euch, die sich mit euch ins Finstere der Aus-weglosigkeit setzen und euer bisschen Hoffnung nicht noch ganz auslö-schen, sondern dem Lebensfunken in euch behutsam und geduldig Sorge tragen bis das Feuer wieder brennt‘. Was vor mehr als 2500 Jahren das jüdi-sche Volk als grausame, tragische Geschichte erlebte – und später im 20. Jh. wieder -, erleben heute andere bedrohte Völker auf dieser Erde; anders zwar, aber nicht weniger schmerzlich. Die indogenen Völker in Latein- und Nordamerika, die Tibeter, die Christen im Sudan und im Irak, die Palästi-nenser – sie und andere Völker dazu sollen gebrochen, geknickt und am liebsten ausgelöscht werden. Im Buch Deuterojesaja steht:‚Gott hat Gefallen an jenen und stützt sie, die das geknickte Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen‘.Eine politische Herausforderung für alle, die sich Christen und Juden nen-nen, denen die Heilige Schrift Gottes Absicht für alle Völker offenbart.Liebe Hörer, liebe Hörerinnen, Gott hat Gefallen an ihm, der helfend ganz nach unten geht. Ihn nennt Gott ‚mein Knecht, den ich stütze‘. Wir können sicher auch sagen: Gott nennt sie ‚meine Dienerin, die ich stütze‘. Es gibt sie, die Männer und Frauen, die sich jener liebevoll annehmen, die im Leben einen Knacks bekommen haben, deren Geschichte schmerzhafte, hindernde Brüche kennt – aus was für Gründen auch immer. Es gibt sie, die Leute, die für jene einstehen, die auf der Schattenseite des Lebens verkümmern, die sich nur noch in die Einsamkeit zurückziehen und sich verschliessen – aus was für Gründen auch immer. Es gibt sie zwar auch, auch als Christen, die Menschen, die manchmal schnell bereit sind zu sagen: ‚Selber schuld; jetzt soll halt ganz fallen, was am Fallen ist; jetzt soll halt ausgelöscht werden, was nur noch so am Flackern ist.2Menschen sind manchmal stark im Zerbrechen geknickter Rohre, im Auslö-schen glimmender Dochte. Doch in der Heiligen Schrift sagt Gott, dass er den Umgang mit den Schwachen, vielleicht Versagenden und den seelisch Armen anders sieht. Er hat Gefallen an allen, die in seinem Geist handeln, und nennt sie seine Diener und Dienerinnen, denn:‚Das geknickte Rohr brechen sie nicht und den glimmenden Docht löschen sie nicht aus‘.Ich möchte einfach gerne allen danken, die als gute und behutsame Diene-rinnen und Diener Gottes gebrochene und umnachtete Mitmenschen liebe-voll und helfend begleiten. Ich tue dies nicht nur aus theoretischem Ein-verständnis mit meinem biblischen Lieblingssatz, sondern aus persönlicher Erfahrung und Betroffenheit. Zum einen schaue ich dankbar auf Wegstre-cken mit Leuten zurück, für die andere und auch ich so eine Dienerin Got-tes, so ein Diener Gottes sein konnten, sein durften durch manchmal lange finstere Zeiten oder verbogene Lebensgeschichten hindurch bis wieder hin zum aufrechten Gang und zum Sehen, was im Leben doch möglich ist.Zum andern, liebe Hörer und Hörerinnen, kenne ich wie sicher einige von Ihnen auch das eigene Gebrochen-sein wie ein geknicktes Rohr, das eigene Sitzen im Finstern und in der inneren Kälte wie ein noch glimmender Docht. Aus verschiedenen Gründen gibt es manchmal für junge und ältere Leute so nichts Freudiges mehr. Kein Ziel. Nichts, wofür es sich eigentlich lohnt. Gesammelte Enttäuschungen vielleicht. Schuld und Ausweglosigkei-ten, Erniedrigung und Demütigungen. Vielleicht ist alles so wie zu einer blossen Frage ohne Antwort, zu einem Gedankenstrich ohne Folgetext ge-worden. Da denke ich dankbar an all jene, die schon mich und andere nicht noch ganz gebrochen und ausgelöscht haben, sondern uns beim Aufrichten und beim Finden des inneren Lichtes liebevoll geholfen haben. Zur Zeit des babylonischen Exils hat der Prophet kaum auf einen Knecht Gottes hingewiesen, der dann nach über 500 Jahren einmal kommen wird. Es war damals sicher nicht eine Verheissung, die sich in Jesus Christus dann einmal erfüllen sollte. Da müssen wir unsere jüdischen Mitmenschen fragen, wie sie die Erfüllung der Prophetie verstehen. Doch als Christin darf ich, als Christen dürfen wir uns gar wohl fragen, wie weit Jesus Christus für uns der ist, der unser Leben immer wieder will, auch wenn wir noch so am Boden liegen. Für mich ist er so ein Gottesknecht in seiner radikalen Hingabe für die Schwachen, für die ganz unten. Ihm ging und geht es immer drum, dass die Menschen aus ihrer Not Erlösung, aus ihrem Dunkel zum Licht, aus ihrem Gefangen-sein zur Freiheit und aus ihrem Unrecht zur Gerechtigkeit finden. Dafür hat er sich bis zu seinem Tod und in seine Auferstehung als 3Hoffnungszeichen auch für uns eingesetzt. Ich glaube ihm, dass er es für Sie, für alle Menschen bis heute weiter tut. Ich glaube, dass er nicht müde wird bis alle zum Aufgerichtet-sein und zum Licht des wirklich Glücklich-seins gefunden haben.So höre ich gerne mit Ihnen meinen biblischen Lieblingssatz im Zusam-menhang mit dem ganzen Lied vom Gottesknecht:Seht, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Ge-fallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Völkern das Recht. Er schreit nicht und lärmt nicht und lässt seine Stimme nicht auf der Strasse erschallen.Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus; ja, er bringt wirklich das Recht. Er wird nicht müde und bricht nicht zusammen, bis er auf der Erde das Recht begründet hat. Auf sein Gesetz warten die Inseln.So spricht Gott, der den Himmel erschaffen und ausgespannt hat, der die Erde gemacht hat und alles, was auf ihr wächst, der den Menschen auf der Erde den Atem verleiht und allen, die auf ihr leben, den Geist: Ich, der Herr, habe dich aus Gerechtigkeit geru-fen, ich fasse dich an der Hand.Ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, der Bund für mein Volk und das Licht für die Völker zu sein: blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft zu befreien. Ich bin Jahwe, das ist mein Na-me; ich überlasse die Ehre, die mir gebührt, keinem andern, meinen Ruhm nicht den Götzen. Seht das Frühere ist eingetroffen, Neues kündige ich an. Noch ehe es zum Vor-schein kommt, mache ich es euch bekannt.

  • Wie sieht Gott aus? – Predigt zu 1. Johannes 1,1-4

    Wie sieht Gott aus? – Predigt zu 1. Johannes 1,1-4

    Der Predigttext ist hier zu finden

    Wie sieht Gott aus?

    So fragen einen manchmal die Kinder.  

    „Kann man in überhaupt sehen?“

    Gott kann man nicht sehen, antworten wir klugen Erwachsenen dann meistens.
    „Er ist überall“, sagen manche noch, „aber er ist unsichtbar“.

    Bei dieser Antwort haben wir zumindest die 10 Gebote auf unserer Seite.
    Im zweiten Gebot heißt es doch: Du sollst dir kein Bild von Gott machen.

    Und darum sagen wir den Kindern: „Gott kann man nicht sehen.“

    Bei den Kindern kommt dann an: Gott ist unsichtbar. Und manche halten Gott dann für eine art Geist oder Gespenst – die sind ja auch unsichtbar.

    Uns Erwachsenen gerät Gott durch diese klugen Erklärungen irgendwie aus dem Blick.
    „Droben über’m Himmelszelt muss ein guter Vater wohnen“ sagen und singen wir.
    Und viele Fragen sich, ob der da oben womöglich schläft und gar nicht merkt, was hier unten bei uns vorgeht.

    Und dann passiert es leicht, dass einer sagt:
    So ein Gott – der ist mir zu weit weg.
    Der kümmert sich nicht um die Welt und schon gar nicht um mich.
    Da ist es doch egal, ob es ihn gibt oder nicht.

    Kann man Gott sehen?

    Ja, man kann.

    In der Bibel finden wir Simeon, der Jesus als Neugeborenes im Arm gehalten hat. Er hat es buchstäblich begreifen dürfen. „Meine Augen haben des Heiland gesehen“, hat er vor Freude ausgerufen.

    Wir singen zu Weihnachten von der guten neuen Mär.
    Von der Geschichte, die Gott selbst neu anfängt: „Euch ist ein Kindlein heut‘ gebor’n …“.
    Gott hat sich gezeigt.
    Ein Kind in der Krippe.
    Martin Luther hat dieses Lied gedichtet.
    Für ihn war das Weihnachtsfest das schönste der christlichen Feste.

    Da, hat Martin Luther gesagt, da kann Gott gesehen werden.
    Im wahrsten Sinn des Wortes begriffen werden.
    „Wir fassen keinen anderen Gott als den, der in jenem Menschen ist, der vom Himmel kam. Ich fange bei der Krippe an.“

    Ja, Gott ist sichtbar.
    Er hat sich selbst gezeigt.

    Davon redet auch der Bibelabschnitt (Johannes 1,1-4), der für diesen Gottesdienst heute vorgesehen ist.
    Er gibt diese Antwort:
    Ja, wir können Gott sehen.
    Und hören.
    Und begreifen.

    Weil er sich gezeigt hat.
    Gott hat sich gezeigt.
    Sein Wort ist Fleisch geworden.
    Damit jeder ihn hören, sehen, betrachten und betasten kann.

    Wie die Hirten damals.
    Wie die Weisen, die später kamen.
    Wie Simeon, der Alte im Tempel.
    Wie alle, die Jesus später begegnet sind.

    In diesem Kind, das Jesus heißt. Was bedeutet: „Gott rettet“
    Oder Immanuel. „Gott ist mit uns“. Das ist der Zweite Name, den die Eltern ihm gegeben sollten.

    Gott hat sich gezeigt!

    An diesem Kind sollen wir sehen können, wer Gott ist und wie er ist:
    Mit uns. Mit ihnen. Mit mir.

    „Immanuel – Gott mit uns“ oder „Jesus – Gott hilf“ diese Namen sollen mir in den Sinn kommen, wenn ich an Gott denke

    Diese anderen Gottesnamen werden überflüssig.
    Diese Superlative:
    Der Ewige. Der Allmächtige. Der Herrgott.
    Das sind Beschreibungen, die Menschen gemacht haben.

    Seit Weihnachten glauben Christen:
    Gott selbst hat sich in einem Menschen gezeigt, der Jesus heißt: Gott rettet

    Was können wir durch ein Kind sehen und hören und begreifen?

    Das Leben wird neu mit einem Kind und durch Kinder.

    Ganz allmählich und manchmal ein bisschen mühsam lerne ich z.B. von meinen Kindern:
    es geht auch anders.
    Und manches ist viel lebendiger, viel einfacher als bei mir.
    Ich bin dich schon ein bisschen festgefahren und unbeweglich geworden.

    Jesus war ein Kind und später ein junger Mann mit neuen Ideen.

    Mit ihm hat Gott gezeigt, wie das Leben neu anfangen kann.

    Es soll nicht immer alles beim Alten bleiben.
    Es soll nicht immer dasselbe von vorne losgehen:
    Dass es Gewinner gibt und Verlierer,
    Mächtige und Machtlose,
    Arme und Reiche,
    Freunde und Feinde.
    Das ist kein Naturgesetz

    Jesus hat später gesagt, wie das anders werden kann:

    „Es ist euch gesagt,
    dass ihr euren Nächsten lieben und eure Feinde hassen sollt.
    Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde.“

    „Ihr habt gehört, das gesagt ist:
    Auge um Auge, Zahn um Zahn.
    Ich aber sage euch: Wenn einer auf die rechte Backe schlägt, dann biete ihm die andere auch dar.“

    Und er hat es vorgelebt, wie das gehen kann.
    Dieses neue Leben.

    Mit denen und für die, die sonst niemanden haben.
    Denen hat er sich zugewendet.
    Er hat gezeigt, dass alle genug zum Leben haben, wenn das, was da ist, geteilt wird.

    Denen, die das Leben zu Boden gedrückt hat, hat er gesagt:
    Steh auf. Fang neu an.
    Er hat ihnen gezeigt Immanuel – Gott ist mit uns
    Ganz konkret.
    So, dass es jeder sehen und hören, betrachten und betasten konnte
    Gott ist mit uns.
    Er hilft die Welt erträglich zu machen.
    Er hilft zu tragen, was einem zu schwer erscheint.

    Allerdings

    Gott hat sich auch Feinde gemacht.

    Wer sich begreifbar macht, wird angreifbar.
    Das kann nicht sein, das Gott so ist – haben sie gesagt.

    Gott ist anders
    Wir haben ein Bild von ihm.
    Gott ist ewig. Allmächtig. Weit weg. Im Himmel.
    Dieser Mann hier, mit seiner windigen Geburt und seinem merkwürdigen Lebenswandel, dieser Mann kann nicht Gott sein.

    Als Jesus 30 Jahre alt war, haben sie ihn hingerichtet.
    Und doch glauben wir Christen: In diesem Menschen hat Gott sich gezeigt.
    Und der fängt immer neu an mit seinen Menschen.
    Mit jedem Kind.

    Gott hat sich zu erkennen gegeben.
    Der Johannesbrief sagt:
    So ist das Leben sichtbar geworden.
    Leben, das gut ist.
    Leben, das Bestand hat.
    Das Leben, das ewig ist.
    Leben, wie es nach Gottes Willen sein soll.
    Das zeigt sich in diesem Kind.

    Was für ein Leben zeigt sich da, in diesem Kind?

    In einem Kind?

    Die meisten Erwachsenen meinen:
    Wer etwas vom Leben haben will, der muss sehen, dass er hoch hinauskommt.
    Wenn es geschafft wird ein Stückchen weiter nach oben, dann hat man mehr vom Leben.
    Deshalb ist das Wichtigste: Dass man vorankommt. Möglichst hoch hinauf.
    Deshalb muss aufgepasst werden, dass man nicht zu kurz kommt.
    Deshalb muss man nehmen, was man kriegen kann.
    Da kann keine Rücksicht auf andere genommen werden.
    Jeder muss selbst sehen, wo er bleibt.
    Mir schenkt ja auch keiner was!

    Aber im Stall in Bethlehem, da wo Gott sich gezeigt hat, da kann jeder sehen:
    Frieden und Freude fangen unten an.
    Dazu muss nicht möglichst weit nach oben gekämpft werden.
    Und ich glaube, das gilt bis heute.

    Das Kind im Stall war nichts Großes und Besonderes.
    Aber da konnte es gesehen und angefasst werden.

    Und heute kann das ebenso erlebt werden:
    Menschen, die sich liebevoll einander zuwenden, können wie im Himmel leben.
    Jetzt und in Ewigkeit.

    „So merket nun das Zeichen recht“

    Es gibt Zeichen, an denen Gottes Nähe gesehen, gehört und betastet werden kann.
    Wenn wir das Leben spüren, das Bestand hat und bleibt.

    Der alte Simeon hat es gemerkt:
    Wer ein Neugeborenes auf dem Arm hat, dem geht das Herz auf.
    Der kann glauben, dass das Leben gut wird.

    Oft verändert ein Neugeborenes die Menschen.
    Frauen, die Mütter werden.
    Männer, die Väter werden.

    Auf einmal sind sie andere Menschen.
    Fürsorglicher, zärtlicher, umsichtiger, verantwortungsbewusster.
    Es ist ein großes Glück, wenn das passiert
    Kinder können die Welt um sie herum verändern.

    Mit den Kindern und durch die Kinder verändert uns Gott.

    Leider müssen uns oft die Augen geöffnet werden.
    Müssen wir darauf aufmerksam gemacht werden.

    Wie kann das geschehen?

    Wie können Menschen auf diesen Gott, der sich sehen, hören und betasten lassen will, aufmerksam gemacht werden?
    Wie können wir anderen helfen, auf Gott zu vertrauen, im eigenen Leben?

    In einem Bilderbuch habe ich gesehen, wie es vielleicht gehen könnte.  
    Einfach eigentlich und einleuchtend.  

    Das Bilderbuch ist von Jutta Bauer und heißt:

    „Opas Engel“.  

    Darin wird gezeigt, wie ein Opa seinem Enkel aus seinem Leben erzählt. 
    Er erzählt von seinem Engel.
    Von dem Engel, der immer dabei war in seinem Leben. 

    Früher hat er es gar nicht so begriffen.  
    Aber jetzt als Opa, da weiß er:  

    Gottes Engel waren immer dabei.  
    Gott war immer dabei.  
    Immanuel.

    Die Bilder in dem Buch zeigen, wie das war:

    Als Opa ein kleiner Junge war, gab es einen schlimmen Hund in der Nachbarschaft.
    Aber Opa konnte zitternd, aber doch mutig genug an dem Hund vorbei gehen – der Engel hatte ihn an der Hand genommen.  

    Bei den Raufereien mit den anderen Jungen hat der Engel ihm geholfen.  
    Und wenn Opa auf die Nase gekriegt hat, hat er ihn nicht im Stich gelassen, sondern geholfen, das Blut abzuwischen.  

    Der Engel hat mit Opa geweint, als er im Krieg viele schlimme Dinge erleben musste.  

    Der Engel stand lächelnd dabei, als er die Oma zum ersten Mal geküsst hat.  
    Vielleicht hätte er sich ohne den Engel nicht getraut. 

    Mir selbst gefällt am besten das Bild vom Urlaub am Meer. 

    Opa sitzt am Strand, sein Sohn schwimmt, weit draußen.
    Und man sieht auf dem Bild, wie der Engel mit drohendem Gesichtsausdruck und ausgestrecktem Arm einen Haifisch aufhält.  
    Ein paar Meter weiter schwimmt der Junge, Opas Sohn.
    Er merkt gar nichts von der Gefahr. 
    Wie viele Gefahren gehen so an einem vorbei – und man hat – Gott sei Dank – gar nichts gemerkt!

    So erzählt der Opa aus seinem Leben.

    Auf den letzten Bildern in Jutta Bauers Buch sieht man, wie der Enkel heimgeht.
    Und ein Engel, dem von Opa nicht unähnlich, hüpft neben ihm her.

    Wie kann auf Gott aufmerksam gemacht werden, der zu sehen, zu hören und zu betasten ist?  

    Wie können wir unseren Kindern oder Enkeln helfen auf Gott zu vertrauen?  

    Ich glaube, so kann es gehen:  

    Erzählen Sie, wie es Ihnen gegangen ist.  
    Ungeniert und ehrlich.  

    Erzählen sie, wie Gott ihnen beigestanden hat.
    Erzählen Sie vom Immanuel.  

    Alles andere wird Gott tun.  
    Oder sein Engel.

    Kann man Gott sehen?

    Ich glaube ja.
    Wir können ihn sehen, hören und spüren.
    Wir können mit ihm Erfahrungen machen.
    So wie die Hirten in Bethlehem:
    Der alte Simeon.
    Menschen, die sich in ihrem Leben freuen können – können es erfahren.
    Menschen, die Hilfe erhalten haben – können es erfahren.

    Ich nehme mir vor im neuen Jahr die Augen dafür aufzuhalten.
    Und wenn ich Gott spüre – dann will ich es weitererzählen.

    Denn das sagt der Johannesbrief:
    Das Erzählen von Gottes Nähe verbindet.
    Und macht die Freude größer.

    Amen

  • Maria und der Engel – Predigt in Neuenhaus und Aich

    Maria und der Engel – Predigt in Neuenhaus und Aich

    Predigttext: Lukas 1, 26-38

    I. Es muss an einem Morgen gewesen sein

    Es muss an einem Morgen gewesen sein.
    Wenn der Tag noch frisch ist und unverbraucht,
    Wenn die Welt allmählich aufwacht und das Leben wieder in die Gänge kommt.

    Mit der Tasse Kaffee in der Hand.
    Noch ein Moment Zeit am Küchentisch den eigenen Gedanken nachzuhängen.
    Das Fenster ist geöffnet.
    Frische Morgenluft kommt in den Raum und weht die abgestandene Luft der Nacht hinaus.
    Die Träume der Nacht hallen noch nach.
    Erst allmählich dringen die Vorhaben und Aufgaben des Tages ins Bewustsein.

    Das ist die Zeit zwischen Nacht und Tag, zwischen Ruhen und Tun.

    II. Ein Fremder im Raum

    Plötzlich stand er im Raum. Ungebeten und ungefragt.
    Noch in ihren Gedanken versunken, hatte Maria ihn kommen hören.
    Seine Schritte klangen wie aus einer anderen Welt.
    Er hatte nicht angeklopft. Oder hatte sie es überhört?

    Er steht. Sie sitzt.
    Sie muss zu ihm aufschauen, um zu sehen, wer es ist.
    Sie kennt ihn nicht. Ein Fremder. Ihr Puls schlägt schneller.
    Ein fremder Mann und ein Mädchen in einem Zimmer. Die Eltern sind nicht da.

    Was kann er nur wollen?

    Wäre doch nur Josef da. Die beiden sind verlobt, aber noch nicht verheiratet. Jeder lebt noch bei seinen Eltern. Darum übernachtet Josef seinen Eltern zu Hause. Wie es die Tradition will. Und Traditionen halten sich hartnäckig.

    Was will der Fremde?
    Maria beginnt zu zittern.
    Wenn er sich mir nähert, schreie ich, wehre mich.
    Wenn es sein muss, mit Händen und Fäusten.

    Der kommt mir nicht zu nahe.

    Doch er bleibt stehen, wo er steht.
    Er schaut sie nur an. Mit Respekt und Wohlwollen im Blick.
    Sie spürt: Der tut mir nichts Böses.

    Da beruhigt sich ihr Atem und sie lockert die geballten Hände.
    Er meint es gut mit mir. Dann spricht er sie an.

    III. Keine Angst, du bist von Gott begnadet!

    »Sei gegrüßt, du Begnadete!« So hatte sie noch niemand genannt.
    Nicht die Eltern. Nicht die Großeltern. Nicht einmal ihr Verlobter und er hat viele Kosenamen für sie.

    »Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!«

    In diesem Moment ahnt Maria, dass die Begegnung mit diesem Fremden ihr Leben verändern wird.
    Nichts wird mehr sein wie vorher. Sie weiß nicht, wie es sein wird. Aber es wird anders sein.

    Und das macht ihr Angst.
    Das spürt der Fremde.

    »Fürchte dich nicht, Maria! Hab keine Angst! Du hast Gnade bei Gott gefunden.«

    Was bedeutet das? Das sind große Worte.

    • Maria kommen all die Namen der großen Frauen in den Sinn, die Gnade vor Gott gefunden hatten:
    • Sara, die in hohem Alter noch ein Kind bekam und so zur Urmutter Israels wurde.
    • Rahab aus Jericho, die den Kundschaftern mutig zur Flucht verhalf.
    • Esther, die ihr Leben aufs Spiel setzte und mit ihrer Klugheit ihr Volk vor dem Tod rettete.
    • Nicht zuletzt die Frau, deren Namen sie selbst trägt: Mirjam, die Schwester von Mose. Weitsichtig und beherzt rettete sie ihren kleinen Bruder.

    Was sollte sie mit diesen großen Frauen gemein haben?
    Sie, ein Mädchen, aus einfachen Verhältnissen.
    Jung verlobt und wie ihre Altersgenossinnen dazu bestimmt, den Haushalt ihres Mannes zu führen. Kinder zu bekommen und sie großzuziehen?

    »Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.«

    Zu viel, um auf Anhieb alles zu begreifen.
    Zu groß für diesen kleinen Raum, diese kleine Stadt, dieses kleine Volk.
    Zu überwältigend für das Mädchen auf dem Weg zum Erwachsenwerden.
    Hätte sie etwas mehr Zeit gehabt, um nachzudenken, dann wäre sie etwas forscher gewesen.
    Dann hätte sie eingehakt:
    »Hör mal, Fremder, wenn ich ein Kind bekomme, entscheide ich noch immer selbst, wie es heißt.«
    Oder: »Du musst mich verwechselt haben. Ich bin keine Königsmutter. Und dass mein Kind einmal ›Sohn des Höchsten‹ genannt werden soll, ist völlig abwegig.«
    Und überhaupt: »Wie kommst du darauf, mir so etwas in Aussicht zu stellen. Wer hat dich das angewiesen?«

    Stattdessen stammelt sie: »Das ist völlig unmöglich. Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Manne weiß?
    Wenn ich doch nicht schwanger bin, stürzt die ganze Verheißung wie ein Kartenhaus in sich zusammen.«

    »Gott selbst wird dafür sorgen, durch seinen Heiligen Geist«, hört sie.
    Das soll ein Mensch begreifen?
    Maria begreift es nicht. Was sie aber weiß:
    Ihre Cousine Elisabeth ist schwanger, im sechsten Monat, und das in hohem Alter.
    Kein Arzt hatte ihnen helfen können. Keine Kur. Kein Gebet.
    Kein Mensch hätte mehr damit gerechnet, dass Elisabeth und Zacharias noch Nachwuchs bekommen sollten.
    Und dann war es doch wie bei Sara und bei Hanna, viele Jahrhunderte vorher. Elisabeth war mit einem Mal schwanger.
    Daran erinnert sie der Fremde.
    Woher weiß er das alles? Er redet, als wäre er selbst dabei gewesen.

    Wer ist er?

    IV. So soll es sein!

    »Bei Gott ist kein Ding unmöglich«, sagt der Fremde.
    Und Maria hält den Atem an.

    Sie hört innerlich noch einmal, was er alles zu ihr gesagt hatte.
    Sie kann es weder einordnen noch begreifen.
    Sie spürt aber, dass es, wenn es so ist, richtig ist.
    Wenn Gott das so will, dann muss das gut sein.
    Dann kann er es auch möglich machen.
    Und wenn er mich dafür braucht, dann bin ich dazu bereit:
    »Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.«

    Mehr Worte findet sie nicht.
    Für den Moment sind es auch genug.

    Der Fremde geht, wie er gekommen ist.
    Seine Schritte verhallen.
    Nur ein Luftzug erinnert noch an ihn.
    Maria bleibt allein zurück.

    Doch sie wird aufbrechen, ihre Cousine Elisabeth besuchen.
    Sie wird erzählen, was sie erlebt hat.
    Erst dann wird sie allmählich begreifen, was sie gerade gehört hat:
    »Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes meines Heilandes. Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen …«

    So war das an jenem Morgen in Nazareth, jedenfalls stelle ich es mir so vor…

    V. Das würde ich tun!

    Ich bin nicht Maria.
    Doch manchmal wünsche ich mir auch, dass ein Engel zu mir käme.
    Der morgens den Kaffee mit mir teilt und abends ein Glas Wein.
    Manchmal wünsche ich mir, dass mir ein Engel sagen würde, ich sei begnadet und stark,
    dass die Welt brauchten würde, was ich zu geben habe.
    Ein Engel, der mir Mut zuspricht, wenn ich anfange zu zweifeln.
    Der mich festhält, wenn ich falle.
    Der groß an die Wände schreibt: »Fürchte dich nicht. Der Herr ist mit dir.«

    Der zu mir sagt:
    »Es wird vollendet werden, was verheißen ist. Hab keine Angst. Es geht gut aus. Es wird.«

    Wenn er kommt und das sagt, dann werde ich antworten:
    »Kein Ding ist unmöglich bei Gott. Mir geschehe, wie du gesagt hast.«
    Und ich werde mutig aufbrechen in den neuen Tag, in eine neue Zeit.

    Amen

  • Meine eigene kleine Hölle – Predigt zu Jesaja 38,10-20

    Meine eigene kleine Hölle – Predigt zu Jesaja 38,10-20

    Meine eigene kleine Hölle

    Jeder trägt seine eigene kleine Hölle mit sich herum.
    Jeder trägt sie mit sich.
    In sich.

    Hiskia, der König von Juda, hatte auch seine Hölle.
    In seinen besten Jahren befällt ihn eine heimtückische Krankheit.
    Er weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat.
    Er ruft: „In der Mitte meines Lebens muss ich dahinfahren, zu des Totenreichs Pforten bin ich befohlen für den Rest meiner Jahre.“

    Jeder trägt seine eigene kleine Hölle mit sich herum.
    Nicht immer ist es eine schwere Krankheit.
    Vielleicht ist es der Streit in der Familie, der mich kaputt macht. Es tut weh, wenn ein Kind nichts mehr von einem willen will.
    Oder es ist der Lebenstraum, der nicht wahr werden kann.
    Oder eine Beziehung, die nicht gesund ist. Die nur noch quält.
    Eine Lebenssituation, die völlig unbefriedigend ist.

    Jeder trägt seine eigene kleine Hölle mit sich herum.
    Mancher von uns kann das offen zeigen. Spricht es aus, lässt den Tränen ihren Lauf.
    Andere können das nicht. Innen drin ist so viel Leere.
    Oder sie wollen es nicht. Lieber auf stark und unantastbar machen.
    Aber jeder trägt sie mit sich herum.

    Die Hölle

    Hölle, im Hebräischen Grundtext bedeutet es Totenreich.
    „[…] zu des Totenreichs Pforten bin ich befohlen“, schreit König Hiskia.
    In der alten Vorstellung der Hebräer war das Totenreich ein dunkler unwirklicher Schattenort, in dem die Toten vor sich hindämmern.
    Ein Unort.
    Ein Ort, der gottverlassener nicht sein kann.

    „Denn die Toten loben dich nicht, und der Tod rühmt dich nicht, und die in die Grube fahren, warten nicht auf deine Treue“, heißt es hier in der Bibel (Jes 38,18).

    Nach dieser Vorstellung ist das Totenreich, der Ort der Abwesenheit Gottes.
    Denn der Gott Israels ist ein lebendiger Gott.
    Und die Toten sind von ihm entfernt.

    Und genau das ist doch die kleine Hölle, das kleine Totenreich, das wir in uns tragen.

    Wenn das Leben an uns vorbeizieht.
    Wenn alles sinnlos ist.
    Wenn wir fern vom Leben, fern von Gott sind.

    Der Gott des Lebens

    Bei König Hiskia schlägt die Stimmung plötzlich um.
    Er bekommt von Gott noch 15 Jahre geschenkt.
    Plötzlich spricht er nicht mehr von seiner Hölle, sondern ruf in die Welt hinaus: „Er hat’s getan!“ – „Gott hat es getan!“.
    Da ist plötzlich etwas anders geworden.
    Da ist das Leben zurück gekehrt.
    Und Hiskia fühlt sich so lebendig wie noch nie.
    Seine Probleme haben sich nicht in Luft aufgelöst.
    Seine kleine Hölle ist immer noch da.
    Aber er hält am Gott des Lebens fest.

    Und er merkt:
    Es ist da in meiner kleine eigenen Hölle.
    Er kommt mit seiner ganzen Lebendigkeit in mein Leben.
    Nicht die Genesung bringt die entscheidende Veränderung. Es ist nicht so, dass Hiskia von heute auf morgen gesund ist. Sondern Hiskia erfährt den Gott des Lebens.

    An diesem Gott des Lebens hält Hiskia fest – komme, was da wolle.
    Und genau dadurch kippt die Stimmung.
    Veränderung passiert nicht, wenn sich meine kleine Hölle, mein Problem, in Luft auflöst.

    Die Veränderung geschieht, wenn ich im festen Vertrauen auf Gott dem Leben begegne.
    Wenn ich an dem festhalte, der das Leben ist und sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben.“ (Joh 11,25)
    Dann erfahre ich den Gott, der uns am Ostermorgen seine ganze Lebendigkeit beweist. Dessen Lebendigkeit auch keinen Halt vor den Pforten des Todesreiches macht.
    Der uns durch die Taufe versprochen hat, dass er uns annimmt ohne Vorbedingung, ohne Vorleistung – einfach so aus Gnade.

    Dann kann ich wirklich leben.
    Trotz meiner eigenen Hölle.

    Dann kann ich mich fest daran klammern.
    Ganz egal, was kommt.
    Ganz egal, wie sehr mich dieses Leben und diese Welt kaputt machen möchte.
    Dieser Gott des Lebens, der auferstandene Christus trägt mich.
    Lässt mich dem Abgrund standhalten.
    Und ermöglicht es mir meine Hölle zu verlassen.

    Er ruft uns zu: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben.“ (Joh 11,25)

    Amen