Schlange u. Wüste
PREDIGT ÜBER NUM 21,4-9 am 25.2.2024 in Dettenhausen
Heute geht es im Predigttext um Wüste und Schlangen,
um Rettung und Freiheit.
Ich lese aus dem 4. Buch Mose, Kapitel 21 (Basisbibel):
Die Israeliten zogen vom Berg Hor weiter in Richtung Schilfmeer.
Dabei nahmen sie einen Umweg um das Land Edom herum.
Das Volk aber wurde auf dem langen Weg ungeduldig.
Die Israeliten beklagten sich bei Gott und bei Mose: „Wozu hast du uns aus Ägypten herausgeführt?
Sollen wir in der Wüste sterben?
Nicht einmal Brot und Wasser gibt es hier.
Wir ekeln uns vor dem schlechten Essen!“
So eine Tortur! In dieser grauenhaften Wüste!
Kein Wasser! Und das Essen erst! Uns reicht’s!
Darauf schickte der Herr Giftschlangen zum Volk.
Viele Israeliten wurden gebissen und starben.
Das Volk kam zu Mose und bat:
„Wir haben Unrecht getan, als wir so mit dem Herrn und mit dir geredet haben. Bete zum Herrn, dass er die Schlangen von uns fortschafft!“
Das Volk aber wurde auf dem langen Weg ungeduldig.
Der Herr antwortete Mose:
„Fertige eine Schlange aus Bronze an und stecke sie auf ein Feldzeichen. Jeder, der gebissen wurde, soll sie ansehen. Dann wird er am Leben bleiben.“
Und tatsächlich: Wer gebissen worden war und die Bronzeschlange ansah, bliebt am Leben.
Ein Umweg, das gibt’s doch nicht!
Ok, die Edomiter wollen uns nicht durch ihr Land ziehen lassen.
Aber konnte Mose das nicht vorher wissen?
Hat der keinen Plan?
Zumindest hätte er uns das früher sagen können.
Bevor wir uns auf dieses unsägliche Abenteuer eingelassen haben.
So ging es vielen im Volk Israel, als ihre Hoffnungen auf eine baldige Ankunft im gelobten Land mal wieder enttäuscht wurden.
Ihre „NÄFÄSCH“, ihr Lebensatem, wurde „kurz“, heißt es im Hebräischen.
Sie verloren den langen Atem, ihren Lebensmut und ihre Geduld.
Nach so langer Zeit in der Wüste:
Unerträglich, dass der Weg ins gelobte Land noch länger dauern soll.
Zumal diese Route durch die besonders heiße Wüstengegend der Araba, südlich des Negev führt.
Eigentlich hatte Gott ja gerade gezeigt, dass er auf sie aufpasst.
Denn kurz vorher konnten sie einen ersten heftigen Angriff der Kanaanäer abwehren (Num 21,1-3).
Trotzdem verliert das Volk bald wieder sein Gottvertrauen.
Und nicht nur das, sie klagen Gott sogar direkt an:
„Wozu hast du uns aus Ägypten herausgeführt?
Sollen wir in der Wüste sterben?“
Damit stellen sie in Frage, dass Gott ihnen Heil und Gutes bringt. Und sie legen nochmal nach:
Die wunderbare Ernährung durch Manna (vgl. Num 11,6) wird als Übelkeit erregend und armselige Speise diffamiert.
Und was passiert dann?
In den früheren Geschichten, wo es ums Murren des Volkes geht, hat Gott ja Abhilfe geschaffen.
Er hat bitteres Wasser trinkbar gemacht und durch Manna und Wachteln die Leute satt gemacht.
Das aber war alles, bevor sie am Berg Sinai waren.
Wo Gott ihnen die Zehn Gebote schenkte,
Wo Gott zeigte, wer er ist und was er von seinem Volk erwartet.
Jetzt ist klar, was Sache ist.
Denn Gott hat am Berg zu seinem Volk gesagt:
„Ihr habt gesehen, was ich an den Ägyptern getan habe und wie ich euch getragen habe auf Adlerflügeln und euch zu mir gebracht.
Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern.“ (2. Mose 19,4+5)
Dieser Bund steht.
Wenn das Volk also jetzt murrt, ist das was ganz anderes als vor dem Bundesschluss.
Jetzt wirkt das so, als ob sie nicht an Gott glauben würden und kein Vertrauen haben, dass er sich an seine Zusagen hält.
Und so kommen die Saraf-Schlangen über das Volk, giftige Speikobras.
Schlangen gibt es genug, dort im Negev.
Und viele Menschen sterben durch deren Bisse (V 6b).
Erschrocken werden sich die Israeliten bewusst, dass sie eine rote Linie überschritten haben.
Sie bringen das zur Sprache und bitten Mose, vor Gott für sie einzutreten, damit die Schlangenplage endet. (V7)
Daraufhin fordert Gott Mose auf, eine Schlange aus Bronze zu machen und sie auf ein Feldzeichen, also eine Art Fahnenstange zu stecken.
Wer gebissen wird und auf sie schaut, soll am Leben bleiben.
Mose fertig diese Schlange an, steckt sie auf eine Stange und das hilft tatsächlich gegen die Schlangenbisse. (V 9)
Die Israeliten sind somit mal wieder gerettet.
Aber was fangen wir mit dieser Geschichte an?
Gehen wir nochmal zurück in die Wüste.
Dort herrscht Ungewissheit.
Die Existenz steht auf dem Spiel.
Die Leute wissen nicht, wie weit der Weg ist.
Sie wissen nicht, ob sie je das Ziel erreichen.
Es geht um Leben und Tod.
Da wird ein Lebensweg sichtbar, wo Hoffnungen unerfüllt bleiben, wo es viele Enttäuschungen gibt.
Wo eine in ihre Essstörungen verstrickt ist und keinen Ausweg sieht.
Wo sich einer so sehr eine Familie gewünscht hat und jetzt alleine dasteht.
Wo eine Krankheit den Lebensmut raubt und man die Erfahrung macht, dass es immer noch schlimmer kommen kann.
Wo man denkt:
Das halt ich nicht länger durch, das ist unerträglich.
Wie passt das zusammen mit der Hoffnung, dass Gott zu mir hält, was auch passiert?
Dass er gnädig und barmherzig ist?
An diesem Gegensatz kann man ja verzweifeln!
Was hilft, wer hilft, dem Unfasslichen standzuhalten, das mein Leben zu vergiften droht und mir Angst macht?
Den Israeliten gehen in der Wüste Lebensmut und Gottvertrauen verloren.
In ihrer Verzweiflung bricht es aus ihnen heraus.
Sie machen Gott Vorwürfe.
Er hat versagt, er ist nicht wirklich der Gott, der sie ins verheißene Land führen kann.
Darauf reagiert Gott keineswegs harmlos.
Er beschwichtigt und vertröstet die Menschen nicht.
Sondern er lässt giftige Schlangen los, die beißen und töten.
Die tödlichen Schlangen, die den Weg des Volkes kreuzen, stehen für das bröckelnde Vertrauens in die Freiheit.
Frei sein ist offenbar schwieriger, als es klingt.
Zwar will jeder von uns frei sein — gehen, wählen, essen, anziehen, was sie will.
Doch Freiheit ist auch wahnsinnig anstrengend und braucht unseren Schritt in dieses Offene, Unwägbare.
Sie muss immer wieder entschieden und verantwortet werden.
Es ist ein Weg ohne Geländer.
Mose hat seinen Menschen die große Freiheit versprochen und am Ende ein Land, in dem Milch und Honig fließen.
Doch vor dem Ziel kommt der Weg und der ist nicht nur in dieser Geschichte lang.
Trotz der Gewissheit, dass wir auf dem Weg nicht allein sind.
Die Saraf-Schlange, die Mose aufrichtet, schützt zwar nicht vor dem Biss.
Doch sie lässt das Schwere aushalten. Lässt überleben.
In der Bronzeschlange wird das Unheimliche fixiert.
Und das muss man anschauen: das Böse, die Vergiftung, die Schlange, den Tod.
Erst dann gewinne ich mich selbst wieder, bleibe nicht Opfer, sondern stelle mich dem, was so furchtbar Angst macht.
Damit wird diese Bronzeschlange ein Sinnbild für das Vertrauen, dass Gott auch der Herr über gefährliche und lebensbedrohliche Mächte ist.
Manchmal sehe ich kaum durch das Dunkel hindurch.
Aber Schritt für Schritt gewinne ich wieder Lebensenergie und kann in Gott auch den erkennen, der die Schlange, den Tod beherrscht.
Wer auf Gott vertraut, auf ihn sieht, wird nicht verloren gehen, sondern das Leben haben.
Entsprechend nimmt das Johannesevangelium unsere Geschichte auf und deutet sie auf Jesu Kreuz und Auferstehung um
Im 3. Kapitel heißt es da:
„Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. (Joh 3, 14+15)
Gott reißt den Himmel über uns auf.
Wenn wir den Blick heben und auf den nicht nachlassenden, werbenden Ruf Gottes hören: „Seht auf und erhebt eure Häupter!“
Aufschauen, über die eigenen Begrenzungen hinaus:
Das müssen wir jede und jeder aus eigener Kraft.
Dass der Himmel offensteht, sieht ein Mensch, der den Blick hebt, weg vom Boden, wo der Tod lauert.
Dieses Versprechen haben wir – und Gott löst es immer wieder ein.
Auch wenn es gerade ganz schlimm ist und weh tut und kaum auszuhalten ist, ist Gott verlässlich da.
Er reißt über uns den Himmel auf, sobald wir hochschauen.
In der Wüste an der ukrainischen Front tobt seit 2 Jahren Krieg.
Verursacht durch die Brutalität des Aggressors Russland.
Nun ist auch Alexej Nawalny in einem russischen Straflager zum Opfer gefallen.
Nachdem er 3 Jahre in Wüsten von Einsamkeit und Kälte leben musste.
Im Film „Becoming Nawalny” wird er gefragt (Minute 13 ff):
„Wer ist der größte Politiker der Geschichte?“
Darauf antwortet Nawalny ohne Zögern: „Jesus Christus! … er hat alles um sich herum verändert.
Er hat Regeln aufgestellt, für die Menschen bereit sind, zu sterben und die sie befolgen. Er hat alles verändert.“
Ein enger Weggefährte ist überzeugt, der Glaube habe Nawalnys Charakter geprägt und dieser selbst zitiert in einem Interview aus der Bergpredigt:
„Selig sind, die hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.“
Obwohl einige seiner Mitstreiter sich darüber lustig machten, war der Glaube an die „Gerechtigkeit Gottes“ Kern seiner Hoffnung.
Auf Gott zu vertrauen macht widerstandsfähig, dem unfassbar Bedrohlichen standzuhalten.
Seht auf und erhebt eure Häupter!
Schaut in den offenen Himmel und spürt Gottes Gegenwart, der will, dass ihr lebt!
Amen.
- Narrenpredigt über Amos 5, 21-24
- So schön kaputt