Langenecks Welt

Rede, Herr, dein Knecht/deine Magd hört.

Predigt zu 1. Samuel 3,1-10 in Wolfenhausen und Nellingsheim am 21.05.2023

I. Vorgeschichte: Hanna bittet Gott, dass er sie erhört.

In der Zeit, als es im alten Israel noch keine Könige gab, also vor etwa 3000 Jahren, da lebte Elkana im Land Ephraim.
Elkana hatte, das war damals nicht unüblich, zwei Frauen. Hanna und Peninna.
Peninna hatte etliche Kinder zur Welt gebracht. Hanna noch keines.

Deshalb wurde Hanna von Peninna verspottet. Keine schöne Situation.

In ihrer Not geht Hanna ins Heiligtum Silo. Dort legt sie ein Gelübde ab: „Falls ich von Gott erhört werde und einen Sohn geschenkt bekomme, dann soll dieser sein Leben lang im Heiligtum Dienst tun!“

Hanna bittet Gott, dass er sie erhört.

II. Exaudi: Erhöre! – Eine sehnsüchtige Bitte in geistloser Zeit

Exaudi – zu Deutsch: höre, erhöre!
Dieser Sonntag zwischen Himmelfahrt und Pfingsten hat seinen Namen von Psalm 27. Wir haben ihn gerade eben gebetet: „Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe.“

An Himmelfahrt verschwindet der auferstandene Christus in Gottes Himmel.
An Pfingsten wird der heilige Geist ausgegossen.
Heute, am Sonntag dazwischen, nehmen wir war, wie geistlos unsere Welt sein kann.
Oder wie es in unserem heutigen Predigttext aus dem ersten Samuelbuch heißt: „Zu der Zeit […] war das Wort des Herrn selten, und es gab kaum noch Offenbarung“.

Auch wir suchen oft sehnsüchtig nach Gott, der unserem Leben und der Welt eine andere Wendung gibt. Deshalb rufen wir mit Hanna: „Herr, erhöre mich!“

Und Hanna wurde erhört.
Sie bekommt einen Sohn und nennt ihn Samuel. Und wie versprochen, bringt sie den Jungen, als er aus dem Gröbsten heraus ist, ins Heiligtum Siloa. Zu Eli, dem alten Priester.

Lesen Sie nun den Predigttext aus dem 1. Buch Samuel, Kapitel 3, Verse 1-10.

III. Wenn einem Sehen und Hören vergehen – Intensivierte Sinneswahrnehmung

Früh am Morgen.
Der siebenarmige Ölleuchter ist noch nicht erloschen.
Samuel hat ihn abends entzündet und nun brennt er die Nacht über.
Samuel schläft auch dort – im Allerheiligsten unweit des Kastens mit den Gebotstafeln.
Später, nach dem Bau des Tempels in Jerusalem, darf sich dort nur der Hohepriester aufhalten.
Es ist ein Ort, an dem Gott ganz nahe ist.

Jetzt ist es still.
So still, dass Samuel sofort wach wird, als er den Ruf hört: „Samuel!“

Er steht auf und geht zu Eli.
Ich habe die beiden richtig vor Augen.
Wie der eine, schlaftrunken, den anderen weckt und sagt: „Siehe, hier bin ich!“

Und der alte Priester müde grummelt, dass er ihn nicht gerufen hat. Und Samuel wieder zu seinem Schlafplatz zurückgeht und weiter schläft.
Dreimal das Ganze. Hin und Her.
Bis – der blinde Alte es schließlich blickt und dem Jungen mit den guten Ohren das rechte Hinhören lehrt.

Im Morgengrauen, zu sensibler Stunde, am heiligen Ort, wieder und wieder dieser Ruf. Das kann nur Gott sein, der sich zu Wort meldet.

IV. Vom rechten Hinhören

Hannas Ruf um Erhörung, das ist auch unser Ruf: in unseren Nöten.

In diesem Wunsch nach Heilung für uns oder unsere Lieben.
In unserer Sehnsucht nach Frieden für diesen Planeten.

In solchen Fällen rufen wir zu Gott und bitten um Erhöhung. Und das ist gut so. Das macht unseren Glauben aus: Dass wir unserem Gott mit unseren Freuden und Nöten in den Ohren liegen.

Mit dem Hören auf Gottes Antwort ist es schon etwas schwieriger.
Ein klarer Ruf, wie bei Samuel, ereilt uns selten.
Auch Samuel musste erst lernen, recht hinzuhören. Damit er die Stimme Gottes von der des Priesters Eli unterscheiden kann.

Doch Gott lässt nicht locker. Viermal ruft er.
Bis Samuel endlich richtig hinhört und schließlich antwortet: „Rede, denn dein Knecht hört.“

Unerhörtes: Wie Samuels Geschichte weitergeht

Und nun folgt Unerhörtes.
Vorher war Gottes Wort selten geworden, doch nun wird Samuel vom Tempeldiener zum Priester und Prophet.

Die Ersten, die Gottes Gerichtswort ereilt, sind die beiden Söhne Elis.
Sie sind auch Priester, taugen aber nicht zum Priesteramt. Sie hören nicht auf Gottes Gebot und vergreifen sich am Opferfleisch. Samuel sagt dem Stamm Eli den Untergang an. Die Söhne sterben.

Doch damit nicht genug.

Der junge Gottesmann wird zum Königsmacher.
Samuel salbt Saul auf Gottes Geheiß zum ersten König Israels.
Doch nach zwei Amtsjahren wendet sich Saul von Gottes Gebot ab. Samuel verwirft im Namen Gottes Sauls Königtum.
Samuel salbt schließlich David zum neuen König.

Samuel ist also nicht nur verantwortlich, dass aus den einzelnen Stämmen Israels ein Königreich wurde.
Er wacht auch über die Könige.
Mit beständigem Ohr an Gottes Wort: „Rede, Herr, dein Knecht hört!“

VI. Die Bibel als Hörbuch und Hörschule

Die Bibel ist Hörbuch und Hörschule in einem.

Hörbuch, weil sie zahllose Erhörungsgeschichten überliefert. Geschichten von Menschen, die Gott in den Ohren liegen und erhört werden.
Hannas Geschichte ähnelt der von Sara. Auch Sara und Abraham waren kinderlos. Als die drei Gottesmänner kommen und der alten Sara einen Nachkommen ankündigen, lacht sie bloß. Und hält dann doch ihren Isaak im Arm.

Eine Erhörungsgeschichte, wie die von Elisabeth und Zacharias. Auch sie bekommen hochbetagt ihr erstes Kind: Johannes, den späteren Täufer.

Gleich anschließend wird Maria eine wundersame Geburt angekündigt. Und auf die Engelsworte von der Geburt des Messias antwortet sie ähnlich wie Samuel: „Siehe, ich bin des Herren Magd.“

Die Bibel ist ebenso eine Hörschule.
Immer wieder führen uns die biblischen Geschichten vor Augen, worauf es wirklich ankommt: Auf Gottes Wegweisung.
Auf LIebe.
Die Liebe zu Gott und zu den Menschen.
Wieder und wieder ruft uns Gott auf diesen Weg. Unermüdlich. Leidenschaftlich. Mitunter auch penetrant.
Wie frümorgens im Heiligtum: „Samuel, Samuel!“

VII. Rede Herr, deine Magd, dein Knecht hört!

In der Musik sind Pausen mindest so wichtig, wie die Töne, die danach erklingen.
Die gespannte Stille, nachdem die Instrumente gestimmt wurden.
Ohne diese Stille wäre der erste Orchesterakkord nichts.
Musik kommt aus der Stille.
Das liegt an den Nervenzellen in unserem Innenohr. Sie brauchen immer wieder Ruhezeiten. Eine kurze Pause genügt und alles danach Gehörte klingt wesentlich intensiver.

Auch wenn wir Gottes Ruf hören wollen, braucht es solche Zeiten der Stille.
Tagsüber prasselt der Alltag auf uns nieder. Alles Mögliche strömt auf uns ein. Gottes Wort unter den vielen Alltagsworten herauszuhören, ist schwer.

Wie anders ist da eine Samuel’sche Morgenstunde.
Am frühen Morgen, wenn alles noch still ist.
Der Geist ist noch verschlafen. Dafür offen für Neues.
Weil wir um diese Zeit noch nicht so sehr filtern.

In der frühen Morgenstunde hat schon manchen ein Gotteswort ereilt.
Leise oft.
Selten in solch einer Deutlichkeit wie bei Samuel.
Vielleicht etwas verwunschen.
Ein Himmlischer Lichtblick, wo zuvor alles dunkel war.
Ein silberner Gedankenfaden, aus dem sich etwas spinnen lässt. Eine Ahnung von Liebe, von Warmherzigkeit, wo Beziehungen erstarrt sind.

Ich wünsche uns solche Samuelstunden!
Frühmorgens, wenn der siebenarmige Leuchter im Tempel noch nicht erloschen ist.
Oder auch abends, wenn zu später Stunde das Licht noch brennt.
Zeiten, in denen alles in uns still wird. Zurücktritt. Und wir uns für Gott öffnen. Und schließlich in Samuels Wort einstimmen: „Rede Herr, deine Magd, dein Knecht hört!“

Stichworte:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert