Langenecks Welt

Es brennt!

Predigt zu Hesekiel 22,23–31 am 22.11.2023 in der Andreaskirche in Großbettlingen

I. Es brennt

Es hat gebrannt in diesem Jahr.
Auf Rhodos und in den Wäldern der USA.
Es brannte und so wurde mehr Kohlendioxid ausgestoßen, als erwartet.
Somit brennt es weiter im Bereich des Klimaschutzes.

Es brennt.
In den Kindergärten und Schulen, in den Krankenhäusern und Altenpflegeheimen fehlen Fachkräfte.
Woanders auch.

Es brennt.
In der Ukraine. Immer noch wehrt sich ein Volk gegen einen Aggressor.
In Israel. Die Bilder der Toten und der Verschleppten sind immer noch präsent.
In Gaza. Auch hier Opfer.

Es brennt.
Sexueller Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen und aufgrund von Abhängigkeits- und Machtverhältnissen.
Überlegungen, wie man an der Erbschaftssteuer vorbeikommt, um den eigenen Lieben möglichst viel zu hinterlassen.

Es brennt.
Und schon längst nicht mehr nur unter den Nägeln.

Es brennt in unserem Land.
Gerechtigkeit erhöht ein Volk und die Sünde ist der Leute Verderben, so der Tagesspruch.
Sünde verdirbt.
Der Prophet Hesekiel weiß davon ein Lied zu singen.
Wobei es einem bei dem Lied die Sprache verschlägt.

Für Hesekiel steht außer Frage.
Wo es so brennt, dass Land und Leute verderben, da steckt Gottes Zorn dahinter
Und der brennt.
Lichterloh verbrennt die Hitze alles.
Was bleibt, ist verbrannte Erde.

Hören wir auf unseren Predigttext aus Kapitel 22 des Buches Hesekiel.

II. Gott steht für sich ein

Verbrannte Erde.
Ja, Gott hat eine Eselsgeduld.
Er ist langmütig bis zum Zorn.
Doch auch Geduld und Langmut haben ein Ende.
Und gerade darin liegt Gottes Verlässlichkeit.
Er sagt, was er will.
Und dafür setzt er sich ein.
Mitarbeiter verweigern die Mitarbeit, torpedieren die Absichten und Anliegen.
Und irgendwann reicht es.
Schluss.
Aus.
Verhältnis gekündigt.
Lebensgrundlage entzogen.

Es gehört zu den Abgründen des christlichen Glaubens, dass wir den Karfreitag haben.
Und aushalten müssen!
Wir werden konfrontiert: Gott wirft uns den Bettel hin.
Da bringen Menschen seinen Sohn zu Tode, vergießen Blut – es reicht.

In dem Fall brennt es nicht, sondern das Land wird verdunkelt.
Und hängt über dem Abgrund,
zwei Nächte und einen Tag.

Es gehört zu einer christlichen Gemeinde, dass sie sich dem Bußtag stellt. Mit und stellvertretend für Menschen dieses Landes, dieses Ortes bekennt sie:
Wir gehen unsere Wege.
Und es fehlt an Gerechtigkeit und Solidarität.
Wir hören, wie es anderen von uns gegangen ist.
Wie gerade eben in den Worten Hesekiels.
Und wir ahnen, was uns und unserem Land blüht, wenn wir weitermachen wie bisher.
Gott steht für sich ein.
Mit Willkür hat das nichts zu tun.
Mit Konsequenz ganz viel.

III. Von kleinen und großen Höllenfeuern

Gott steht für sich ein.
Weil Menschen, genauer, wir Menschen, das Feuer gelegt haben.
Höllisch geht es da zu.
Leben wird genommen, die Luft zum Atmen fehlt, die Kehle schnürt sich zu, Angst engt Leben ein.
Blut wird vergossen, es fließt aus Rücksichtslosigkeit und weil einer den anderen übersieht.
Aus Wunden quillt Blut und schreit von der Erde zum Himmel.
Höllisch geht es zu.
Und ein junges Mädchen erzählt stockend von Gewalt mit Worten und mit Schlägen und mit Missbrauch zu Hause in den vier Wänden, die so gar nicht schützen.
Drohungen und Gewalt gegen öffentliche Personen vertreiben Engagement für das Gemeinwohl.
Wölfe reißen, Löwen brüllen.
Da schreiten Leute laut und setzen sich durch.
Andere zeigen Zähne und kämpfen für das Eigenwohl.

Menschen haben das Feuer gelegt.
Und der Widerspruch verstummt.
Auch in den Kirchen.
Werte zu liefern für die Gesellschaft, darin liegt bei vielen die Absicht.
Damit verbunden mit der Hoffnung auf diese Weise systemrelevant zu werden, also wichtig und unentbehrlich für das Land.

Bitte?
Systemrelevant?

Es wird doch in der Kirche vor allem um und für Gottes „System“ gehen.
Da geht es um einen Einsatz, den die Bibel einklagt.
Einsatz für das Leben.
Für Gerechtigkeit und Solidarität.
Für die Armen und Übersehenen.
Für die, denen es höllisch geht.

IV. Gott steht für sich ein – widerwillig

Gott steht für sich ein.
Wir Menschen haben das Feuer gelegt.
Wir haben unsere Lebensgrundlage missbraucht.
Wir haben Gottes Willen für nett erklärt.
Wir haben Gott zum lieben Mann gemacht und gehen unsere Wege.

Darum steht Gott für sich ein.
Doch mit welchem Wider-willen.
Mit welcher Fassungslosigkeit er das tut, wird bei Hesekiel klar:

Gott selbst macht sich auf die Suche, ob es einen Menschen gibt, der die Brandstifter schützt.
Ob es einen Menschen gibt, der sich in die Bresche stellt, um die Brandstifter vor Gottes Zorn, vor dem völligen Brand zu schützen.
Gott selbst mach sich auf die Suche.

Doch die Suche endet erfolglos.
„Ich fand nicht“, hält Gott fest.
Nicht einen!
Und so brannte es.
Lichterloh.
Verbrannte Erde.
Ein zerstörter Tempel.
Ein Land am Boden und seine Bewohner ohne Lebensgrundlage.

V. Rauchmelder: Ein Einsiedler betet

Nicht eine fand Gott.
Nicht einen?

Ein Einsiedler, ein orthodoxer Mönch sitzt in seiner Einsiedelei, einer Höhle in der Wüste Juda.
Zufällig trifft eine Gruppe junger Menschen auf ihn.
Sie kommen ins Gespräch und dem Mönch wird die Frage gestellt: „Warum machst du das?
Warum lebst du so einsam und kärglich?“
Der Mönch antwortet: „Was wollt ihr? Ich halte mit meinem Gebet die Welt am Laufen. Ich bitte Gott ununterbrochen für diese Welt. Und solange ich bete, behält Gott diese Welt im Blick und lässt sie nicht fallen.“

Lächelnd,
belächelnd,
zogen die jungen Menschen ihrer Wege.
Lang ist es her.
Und siehe – wir leben.

VI. Lücken-Büßer

Einer der betet.
Doch einer.
Einer springt in die Bresche und hält Gott auf.

Wirklich?
Einer. Eine.
Jemand, der Jesu Fußstapfen folgt.
Dieser folgt dem nach, den Gott in die Bresche, in die Lücke gestellt hat.
Das Kreuz zeigt die Lücke.
Und weitere Menschen stellt sich dazu.
Sie stellen sich hinein und beten weiter:

„Vater vergib ihnen“ Und: „Herr erbarme dich.“

Menschen, Zeitgenossen stellen sich dazu und füllen die Lücke mit.
Bessern sie aus – büßen sie aus.

Lückenbüßer der ganz anderen Art sind solche Menschen.
Sie sind überlebenswichtig.
Sie geben sich dafür her, Gottes System zu erhalten.
Sie sind systemrelevant.
Solche Lückenbüßer sind wir hier heute auch.

Wir nehmen Gott ernst.
Wir nehmen seine Konsequenz ernst und bitten doch: Vergib.

„Vergib uns und ihnen.
Erhalte das Land und seine BewohnerInnen.
Gib uns eine weitere Chance.
Den nächsten Tag noch.
Das nächste Jahr noch.
Vielleicht bekommen wir das eine oder andere Feuer etwas eingedämmt.
Füge nicht auch noch die Glut deines Zornes hinzu.
Gib uns eine Chance.
Vielleicht blüht da etwas auf.“

VII. Gott steht für sich ein. Auch in anderer Hinsicht.

Gott ist konsequent.
Auch darin, dass er Gebete und Klagen hört und sie sich zu Herzen gehen lässt.
Wir bekommen eine Chance.

Wo wir wohl nächstes Jahr am Bußtag stehen?
Wo es dann brennt?
Und welches Feuer ein wenig eingedämmt wurde – in unserem Land?
Oder im Kleinen?
Vor Ort?
Bei uns?

Wir haben diese Chance.
Gott sei Dank dafür.

Amen!

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