Dellen, Sprünge und Risse
Predigt über 2. Korinther am 28.01.2024 in Altdorf und Neckartailfingen
Heute müssen wir Abschied nehmen.
Der Weihnachtsfestkreis ist vollbracht.
Nach der Advents- und der Weihnachtszeit geht heute auch die Epiphaniaszeit zu Ende.
Am heutigen letzten Sonntag nach Epiphanias feiern wir, dass Jesus Christus als Licht des Lebens in die Welt gekommen ist, um die Schatten des Todes zu vertreiben.
Auch der heutige Predigttext handelt von Jesus Christus als Licht, das in unsere Welt hineingekommen ist.
Im 2. Brief an die Korinther heißt es im 4. Kapitel:
6 Gott hat einst gesagt: »Aus der Dunkelheit soll ein Licht aufleuchten!« Genauso hat er es in unseren Herzen hell werden lassen. Durch uns sollte das Licht der Erkenntnis aufleuchten: Die Herrlichkeit Gottes sollte sichtbar werden, die uns in Jesus Christus begegnet.
Basisbibel
7 Wir tragen diesen Schatz aber in zerbrechlichen Gefäßen.
So soll deutlich werden, dass unsere übergroße Kraft von Gott kommt und nicht aus uns selbst.
8 Wir stehen von allen Seiten unter Druck, aber wir werden nicht erdrückt.
Wir sind ratlos, aber wir verzweifeln nicht.
9 Wir werden verfolgt, aber wir sind nicht im Stich gelassen.
Wir werden zu Boden geworfen, aber wir gehen nicht zugrunde.
10 Täglich erleben wir am eigenen Leib etwas von dem Sterben, das Jesus erlitten hat. Denn unser Leib soll auch das Leben zeigen, zu dem Jesus auferstanden ist.
Der Apostel Paulus hatte es nicht leicht.
In der Gemeinde der ersten Christen sind Apostel aufgetaucht, die davon überzeugt waren, den Heiligen Geist voll umfänglich zu besitzen.
Sie demonstrierten daher ihre religiöse Macht und ihr Können vollkommen von sich überzeugt.
Sie stellten sich selbst in den Mittelpunkt und glänzten mit ihren Taten.
Da Paulus nicht mithalten.
Er nahm sich dagegen eher kläglich aus.
Schwach und kränklich kommt Paulus daher.
„Lerne doch erst einmal reden, bevor du versuchst zu predigen“ wurde er verspottet.
Davon unbeirrt stellt er das Wesentliche, die göttliche Heilstat, in den Mittelpunkt.
Ganz bewusst zieht er die Parallele zur Erschaffung der Welt.
Er erinnert an Gott den Schöpfer, der am ersten Tag das Licht von der Finsternis scheidet.
Und Gott sah, dass das Licht gut war, heißt es am Anfang der Bibel.
So senkt auch Gott den hellen Schein als Schatz in uns Menschen.
Gott selbst ist der Handelnde, wir Menschen sind lediglich Empfänger.
Um es noch deutlicher zu machen, wählt Paulus das Bild vom irdenen Gefäß, in das der Schatz hineingelegt wurde.
Das irdene Gefäß wird aus Ton hergestellt.
Damals war es reine Handarbeit.
Jedes Stück wurde einzeln geschaffen.
Jedes etwas anders im Aussehen.
Auch hier findet sich eine Parallele zur Schöpfungsgeschichte.
Gott formte den Menschen aus der Erde des Ackers, bei jedem einzelnen Menschen hat er seine Finger im Spiel.
Auch wir sind ganz verschiedene Persönlichkeiten.
Jede/jeder ist einzigartig.
Das Tongeschirr kann im Gebrauch des Alltags beschädigt werden kann.
Es können Ecken abgeschlagen werden, Risse entstehen oder das Gefäß kann auch zerbrechen.
Genauso tragen auch wir die Spuren unseres Lebens mit uns.
Auch wir haben Schicksalsschläge einstecken und manche Prüfungen bestehen müssen.
Wir sind auf die eine oder andere Art und Weise verletzt worden.
Die Erfahrungen, die Paulus im Predigttext beschreibt, kenne ich auch in ähnlicher Form bei mir.
Nicht unbedingt existenziell oder lebensbedrohend.
Aber manchmal wünsche ich mir schon, eine schlagfertige Antwort parat zu haben, wenn ich mit Worten angegriffen werde.
Auch würde ich gerne brillant, mitreißend und voller Überzeugung vor Anderen reden können.
Nicht unsicher oder zweifelnd und krampfhaft nach Worten suchen.
Wäre es nicht schöner für uns Christen, wenn wir solide, goldglänzende, funkelnde Gefäße wären?
Mir fallen da die Reliquienschreine ein, die die katholische Kirche besitzt.
Ein Knochensplitter eines Heiligen wird für die Gläubigen in Gold und Edelsteinen gefasst zur Schau gestellt.
Manchmal ist es gar nicht so leicht, zwischen all der funkelnden und glänzenden Pracht den eigentlichen Schatz zu entdecken.
Als Gefäße für den Schatz, den Gott in uns hineinlegt, müssen wir nicht selbst glänzend und strahlend sein.
Gerade durch unsere Unvollkommenheit, Zerbrechlichkeit und Schwachheit strahlt Gottes Herrlichkeit viel stärker nach außen.
Und was wäre, wenn wir den Gedanken, selbst glänzende Gefäße zu sein, einmal weiterspinnen.
Dann wären Christen Menschen, die auf alles eine Antwort wissen.
Die nie von Zweifeln befallen wären und keine Ängste kennen.
Würde ein solches Bild eines Christen auf andere suchende Menschen wirklich einladend oder eher abschreckend wirken?
Wenn jemand ängstlich und voller Zweifel auf der Suche nach einer Gottesbegegnung ist, der würde wohl resigniert umkehren.
Denn diese Ansprüche kann er nie erfüllen.
Doch die gute Nachricht ist:
Wir müssen und sollen gar nicht vollkommen sein.
Gott nimmt uns an, so wie wir sind.
Als irdenes Gefäß mit Dellen und Rissen nimmt er uns in Dienst, seine Herrlichkeit in den Alltag dieser Welt zu tragen.
Die Sätze mit denen Paulus unsere Lebenssituation beschreibt, lassen sich in zwei Hälften teilen.
Zählen wir mal die erste Hälfte der Sätze an einer Hand auf:
- Wir stehen von allen Seiten unter Druck.
- Wir sind ratlos.
- Wir werden Verfolgt.
- Wir werden zu Boden geworfen.
- Täglich erleben wir am eigenen Leib etwas von dem Sterben, das Jesus erlitten hat.
Dies ist ein sehr düsteres Bild, das Paulus da zeichnet.
Da sehe ich schwarz.
Ich sehe die Schatten des Todes.
Es sind nicht nur die Erfahrungen, die Paulus gemacht hat.
Auch Jesus selbst hat diese Erfahrungen in seinem Leben auf der Erde gemacht.
Er hat diese Situationen durchlitten.
Jesus ist aber nicht nur der gemarterte Mensch, der am Kreuz starb.
Jesus Christus ist auch der Auferstandene, der den Tod überwunden hat.
Das weiß Paulus ganz genau.
Er weiß, dass in jedem Zeitpunkt seines Lebens Jesus Christus bei ihm ist.
Dass er in jeder noch so widerwärtigen und lebensbedrohlichen Situation nicht allein gelassen ist.
Darum kann Paulus mehr sehen als die Schatten des Todes.
Darum kann er das Licht der göttlichen Herrlichkeit durch alles hindurch strahlen sehen.
Darum haben seine Sätze einen zweiten Teil.
Nehmen wir die andere Hand dazu.
- Wir werden nicht erdrückt
- Wir verzweifeln nicht.
- Wir sind nicht im Stich gelassen.
- Wir gehen nicht zugrunde.
- Das Leben Jesu wird an unserm Leibe offenbar.
Beide Hände kann ein Mensch zusammenlegen,
beide Hände kann ein Mensch falten,
beide Hände kann ein Mensch öffnen,
beide Hände einem anderen reichen …
Unser Leben verläuft in der Spannung zwischen Weihnachtsfestkreis und Passionszeit, es hat Höhen und Tiefen.
Wir sind von Gott so angenommen, wie wir sind.
Mit unseren Dellen, Sprüngen und Rissen.
Trotzdem Gott den Schatz seiner Herrlichkeit in uns hineingelegt.
Tragen wir das göttliche Licht weiter in diese Welt, indem wir beide Hände zusammenlegen, falten, öffnen und einem anderen Menschen reichen.
Amen
- Es war einmal.
- Narrenpredigt über Amos 5, 21-24