Langenecks Welt

Wie sieht Gott aus? – Predigt zu 1. Johannes 1,1-4

Der Predigttext ist hier zu finden

Wie sieht Gott aus?

So fragen einen manchmal die Kinder.  

„Kann man in überhaupt sehen?“

Gott kann man nicht sehen, antworten wir klugen Erwachsenen dann meistens.
„Er ist überall“, sagen manche noch, „aber er ist unsichtbar“.

Bei dieser Antwort haben wir zumindest die 10 Gebote auf unserer Seite.
Im zweiten Gebot heißt es doch: Du sollst dir kein Bild von Gott machen.

Und darum sagen wir den Kindern: „Gott kann man nicht sehen.“

Bei den Kindern kommt dann an: Gott ist unsichtbar. Und manche halten Gott dann für eine art Geist oder Gespenst – die sind ja auch unsichtbar.

Uns Erwachsenen gerät Gott durch diese klugen Erklärungen irgendwie aus dem Blick.
„Droben über’m Himmelszelt muss ein guter Vater wohnen“ sagen und singen wir.
Und viele Fragen sich, ob der da oben womöglich schläft und gar nicht merkt, was hier unten bei uns vorgeht.

Und dann passiert es leicht, dass einer sagt:
So ein Gott – der ist mir zu weit weg.
Der kümmert sich nicht um die Welt und schon gar nicht um mich.
Da ist es doch egal, ob es ihn gibt oder nicht.

Kann man Gott sehen?

Ja, man kann.

In der Bibel finden wir Simeon, der Jesus als Neugeborenes im Arm gehalten hat. Er hat es buchstäblich begreifen dürfen. „Meine Augen haben des Heiland gesehen“, hat er vor Freude ausgerufen.

Wir singen zu Weihnachten von der guten neuen Mär.
Von der Geschichte, die Gott selbst neu anfängt: „Euch ist ein Kindlein heut‘ gebor’n …“.
Gott hat sich gezeigt.
Ein Kind in der Krippe.
Martin Luther hat dieses Lied gedichtet.
Für ihn war das Weihnachtsfest das schönste der christlichen Feste.

Da, hat Martin Luther gesagt, da kann Gott gesehen werden.
Im wahrsten Sinn des Wortes begriffen werden.
„Wir fassen keinen anderen Gott als den, der in jenem Menschen ist, der vom Himmel kam. Ich fange bei der Krippe an.“

Ja, Gott ist sichtbar.
Er hat sich selbst gezeigt.

Davon redet auch der Bibelabschnitt (Johannes 1,1-4), der für diesen Gottesdienst heute vorgesehen ist.
Er gibt diese Antwort:
Ja, wir können Gott sehen.
Und hören.
Und begreifen.

Weil er sich gezeigt hat.
Gott hat sich gezeigt.
Sein Wort ist Fleisch geworden.
Damit jeder ihn hören, sehen, betrachten und betasten kann.

Wie die Hirten damals.
Wie die Weisen, die später kamen.
Wie Simeon, der Alte im Tempel.
Wie alle, die Jesus später begegnet sind.

In diesem Kind, das Jesus heißt. Was bedeutet: „Gott rettet“
Oder Immanuel. „Gott ist mit uns“. Das ist der Zweite Name, den die Eltern ihm gegeben sollten.

Gott hat sich gezeigt!

An diesem Kind sollen wir sehen können, wer Gott ist und wie er ist:
Mit uns. Mit ihnen. Mit mir.

„Immanuel – Gott mit uns“ oder „Jesus – Gott hilf“ diese Namen sollen mir in den Sinn kommen, wenn ich an Gott denke

Diese anderen Gottesnamen werden überflüssig.
Diese Superlative:
Der Ewige. Der Allmächtige. Der Herrgott.
Das sind Beschreibungen, die Menschen gemacht haben.

Seit Weihnachten glauben Christen:
Gott selbst hat sich in einem Menschen gezeigt, der Jesus heißt: Gott rettet

Was können wir durch ein Kind sehen und hören und begreifen?

Das Leben wird neu mit einem Kind und durch Kinder.

Ganz allmählich und manchmal ein bisschen mühsam lerne ich z.B. von meinen Kindern:
es geht auch anders.
Und manches ist viel lebendiger, viel einfacher als bei mir.
Ich bin dich schon ein bisschen festgefahren und unbeweglich geworden.

Jesus war ein Kind und später ein junger Mann mit neuen Ideen.

Mit ihm hat Gott gezeigt, wie das Leben neu anfangen kann.

Es soll nicht immer alles beim Alten bleiben.
Es soll nicht immer dasselbe von vorne losgehen:
Dass es Gewinner gibt und Verlierer,
Mächtige und Machtlose,
Arme und Reiche,
Freunde und Feinde.
Das ist kein Naturgesetz

Jesus hat später gesagt, wie das anders werden kann:

„Es ist euch gesagt,
dass ihr euren Nächsten lieben und eure Feinde hassen sollt.
Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde.“

„Ihr habt gehört, das gesagt ist:
Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Ich aber sage euch: Wenn einer auf die rechte Backe schlägt, dann biete ihm die andere auch dar.“

Und er hat es vorgelebt, wie das gehen kann.
Dieses neue Leben.

Mit denen und für die, die sonst niemanden haben.
Denen hat er sich zugewendet.
Er hat gezeigt, dass alle genug zum Leben haben, wenn das, was da ist, geteilt wird.

Denen, die das Leben zu Boden gedrückt hat, hat er gesagt:
Steh auf. Fang neu an.
Er hat ihnen gezeigt Immanuel – Gott ist mit uns
Ganz konkret.
So, dass es jeder sehen und hören, betrachten und betasten konnte
Gott ist mit uns.
Er hilft die Welt erträglich zu machen.
Er hilft zu tragen, was einem zu schwer erscheint.

Allerdings

Gott hat sich auch Feinde gemacht.

Wer sich begreifbar macht, wird angreifbar.
Das kann nicht sein, das Gott so ist – haben sie gesagt.

Gott ist anders
Wir haben ein Bild von ihm.
Gott ist ewig. Allmächtig. Weit weg. Im Himmel.
Dieser Mann hier, mit seiner windigen Geburt und seinem merkwürdigen Lebenswandel, dieser Mann kann nicht Gott sein.

Als Jesus 30 Jahre alt war, haben sie ihn hingerichtet.
Und doch glauben wir Christen: In diesem Menschen hat Gott sich gezeigt.
Und der fängt immer neu an mit seinen Menschen.
Mit jedem Kind.

Gott hat sich zu erkennen gegeben.
Der Johannesbrief sagt:
So ist das Leben sichtbar geworden.
Leben, das gut ist.
Leben, das Bestand hat.
Das Leben, das ewig ist.
Leben, wie es nach Gottes Willen sein soll.
Das zeigt sich in diesem Kind.

Was für ein Leben zeigt sich da, in diesem Kind?

In einem Kind?

Die meisten Erwachsenen meinen:
Wer etwas vom Leben haben will, der muss sehen, dass er hoch hinauskommt.
Wenn es geschafft wird ein Stückchen weiter nach oben, dann hat man mehr vom Leben.
Deshalb ist das Wichtigste: Dass man vorankommt. Möglichst hoch hinauf.
Deshalb muss aufgepasst werden, dass man nicht zu kurz kommt.
Deshalb muss man nehmen, was man kriegen kann.
Da kann keine Rücksicht auf andere genommen werden.
Jeder muss selbst sehen, wo er bleibt.
Mir schenkt ja auch keiner was!

Aber im Stall in Bethlehem, da wo Gott sich gezeigt hat, da kann jeder sehen:
Frieden und Freude fangen unten an.
Dazu muss nicht möglichst weit nach oben gekämpft werden.
Und ich glaube, das gilt bis heute.

Das Kind im Stall war nichts Großes und Besonderes.
Aber da konnte es gesehen und angefasst werden.

Und heute kann das ebenso erlebt werden:
Menschen, die sich liebevoll einander zuwenden, können wie im Himmel leben.
Jetzt und in Ewigkeit.

„So merket nun das Zeichen recht“

Es gibt Zeichen, an denen Gottes Nähe gesehen, gehört und betastet werden kann.
Wenn wir das Leben spüren, das Bestand hat und bleibt.

Der alte Simeon hat es gemerkt:
Wer ein Neugeborenes auf dem Arm hat, dem geht das Herz auf.
Der kann glauben, dass das Leben gut wird.

Oft verändert ein Neugeborenes die Menschen.
Frauen, die Mütter werden.
Männer, die Väter werden.

Auf einmal sind sie andere Menschen.
Fürsorglicher, zärtlicher, umsichtiger, verantwortungsbewusster.
Es ist ein großes Glück, wenn das passiert
Kinder können die Welt um sie herum verändern.

Mit den Kindern und durch die Kinder verändert uns Gott.

Leider müssen uns oft die Augen geöffnet werden.
Müssen wir darauf aufmerksam gemacht werden.

Wie kann das geschehen?

Wie können Menschen auf diesen Gott, der sich sehen, hören und betasten lassen will, aufmerksam gemacht werden?
Wie können wir anderen helfen, auf Gott zu vertrauen, im eigenen Leben?

In einem Bilderbuch habe ich gesehen, wie es vielleicht gehen könnte.  
Einfach eigentlich und einleuchtend.  

Das Bilderbuch ist von Jutta Bauer und heißt:

„Opas Engel“.  

Darin wird gezeigt, wie ein Opa seinem Enkel aus seinem Leben erzählt. 
Er erzählt von seinem Engel.
Von dem Engel, der immer dabei war in seinem Leben. 

Früher hat er es gar nicht so begriffen.  
Aber jetzt als Opa, da weiß er:  

Gottes Engel waren immer dabei.  
Gott war immer dabei.  
Immanuel.

Die Bilder in dem Buch zeigen, wie das war:

Als Opa ein kleiner Junge war, gab es einen schlimmen Hund in der Nachbarschaft.
Aber Opa konnte zitternd, aber doch mutig genug an dem Hund vorbei gehen – der Engel hatte ihn an der Hand genommen.  

Bei den Raufereien mit den anderen Jungen hat der Engel ihm geholfen.  
Und wenn Opa auf die Nase gekriegt hat, hat er ihn nicht im Stich gelassen, sondern geholfen, das Blut abzuwischen.  

Der Engel hat mit Opa geweint, als er im Krieg viele schlimme Dinge erleben musste.  

Der Engel stand lächelnd dabei, als er die Oma zum ersten Mal geküsst hat.  
Vielleicht hätte er sich ohne den Engel nicht getraut. 

Mir selbst gefällt am besten das Bild vom Urlaub am Meer. 

Opa sitzt am Strand, sein Sohn schwimmt, weit draußen.
Und man sieht auf dem Bild, wie der Engel mit drohendem Gesichtsausdruck und ausgestrecktem Arm einen Haifisch aufhält.  
Ein paar Meter weiter schwimmt der Junge, Opas Sohn.
Er merkt gar nichts von der Gefahr. 
Wie viele Gefahren gehen so an einem vorbei – und man hat – Gott sei Dank – gar nichts gemerkt!

So erzählt der Opa aus seinem Leben.

Auf den letzten Bildern in Jutta Bauers Buch sieht man, wie der Enkel heimgeht.
Und ein Engel, dem von Opa nicht unähnlich, hüpft neben ihm her.

Wie kann auf Gott aufmerksam gemacht werden, der zu sehen, zu hören und zu betasten ist?  

Wie können wir unseren Kindern oder Enkeln helfen auf Gott zu vertrauen?  

Ich glaube, so kann es gehen:  

Erzählen Sie, wie es Ihnen gegangen ist.  
Ungeniert und ehrlich.  

Erzählen sie, wie Gott ihnen beigestanden hat.
Erzählen Sie vom Immanuel.  

Alles andere wird Gott tun.  
Oder sein Engel.

Kann man Gott sehen?

Ich glaube ja.
Wir können ihn sehen, hören und spüren.
Wir können mit ihm Erfahrungen machen.
So wie die Hirten in Bethlehem:
Der alte Simeon.
Menschen, die sich in ihrem Leben freuen können – können es erfahren.
Menschen, die Hilfe erhalten haben – können es erfahren.

Ich nehme mir vor im neuen Jahr die Augen dafür aufzuhalten.
Und wenn ich Gott spüre – dann will ich es weitererzählen.

Denn das sagt der Johannesbrief:
Das Erzählen von Gottes Nähe verbindet.
Und macht die Freude größer.

Amen

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