Langenecks Welt

Träumer!

Predigt zu 1. Könige 3, 5-15 in der Johanneskirche in Dettenhausen

Träumer sind Gottes geliebte Kinder.

Träume sind Gottes vergessene Sprache

Träumer

„Träumer!“ haben meine Lehrer selten als Kompliment gemeint.

Welt- oder besser Schul-vergessen schaute ich umher;
vergaß, was der dort vorne als wichtig präsentierte.
Meine Gedanken flogen erst langsam, fast mühsam im Klassenzimmer umher.
Dann blieben sie am Fensterrahmen hängen.
Sie schauten noch mal zurück auf den Raum und den Lehrer,
so als wollten sie sagen: „Wir gehen dann mal …“.

Es öffnet sich die Fensterflügel und meine Gedanken zogen ins Freie.
Manchmal konnte ich ihnen kaum folgen, so schnell waren sie woanders.

Dann gab es zwei Möglichkeiten wach zu werden.
Eine schöne und eine andere.

Die letzte geschah meistens.
Der Lehrer beendete meine tragträumerischen Ausflüge indem er mir klar machte wo die Musik spielt.
So so.
Die Musik …
vorbei mit den Träumen!

Das schlimmste war nicht, dass ich ertappt wurde.
Viel schlimmer war, dass meine Gedanken – irgendwo draußen auf der Reise – nicht zurückkommen konnten.
So, als hätte einer das Fenster zugemacht und ein Schild daran befestigt: „Ihr müsst draußen bleiben!“

Es gab Stunden, da wurde die schöne Möglichkeit wahr.
Die tag träumenden Gedanken kamen ins Klassenzimmer zurück.
Leise durch das geöffnete Fenster, hielten sie Ausschau nach mir.
Sie sahen meinen Kopf dessen Kinn auf den beiden Handballen gestützt zur Tafel schaute.
Inzwischen hatte ich mir einen Blick zugelegt, der volle Konzentration bei völliger geistiger Abwesenheit vermitteln sollte.

Da waren sie wieder:
Meine Gedanken.
Tagträume zurückgekehrt von ihrer Reise und sie brachten neue Ideen mit.
Dinge, die ich noch nie gedacht hatte.
Ich bekam, worum ich nicht gebeten hatte.

Irgendwann, ich weiß nicht mehr wann, wo und wie, verlor ich dieses kindliche Träumen.
Ich war jung, wusste nicht ein noch aus, wurde älter und habe dieses Träumen vergessen.
Und heute:
Ich wünsche es mir zurück, zu träumen, wie Salomo es konnte.

Hören wir auf unseren Predigttext aus 1. Könige 3, 5-15

Träume(r) im Widerspruch

Es erhebt sich der aufgeklärte zweifache Widerspruch:
„Träume,“ das wissen wir seit Freud, „sind zu verstehen als eine Äußerung des menschlichen Seelenlebens – mit unbewussten normalen oder krankhaften Anzeichen.“

Wir alle träumen.
Gutes und Böses.
Ängste und Sorgen.
Manche Träume sind hilfreich – gewiss.
Andere Träume kehren immer wieder und wir sind sie leid.

Die Träume kommen aus der Tiefe meines Herzens.
Die innere Stimmen verbreiten sich im Traum.
Unbewusst, nicht in meiner Macht.
Ich kann sie nicht verhindern: Träume.
Ich wache auf.
Schweißgebadet.

Doch von all dem hat Salomo nicht erzählt.
Und von Salomos Traum in der Nacht hat Freud nicht gesprochen.
Salomo war ein Träumer.
Einer, der die vergessene Sprache Gottes zu hören verstand.

Ich höre aber auch noch den zweiten Einwand.

Salomo war ein weiser Herrscher, gewiss, aber auch ein cleverer Politiker dazu.
Erst eine geschickte, politische Heirat mit dem potentiellen Feind, die nebenbei wirtschaftliche Stabilität sicherte.
Dann ein nächtlicher Traum von blühenden Landschaften.
Für niemanden überprüfbar.
Ein bescheidener Politiker, wie man ihn sich wünscht.
Er will nur ein gehorsames Herz.
Will Politik fürs Volk machen.
Gerechtigkeit in Ost und West.

Er hat Geld und Ehre in Fülle und Hülle.
Wollte er ja gar nicht.
Das hat ihm Gott gegeben.
Er hatte darum nicht gebeten.
Eine traumhafte Begründung für seine Macht uns seinen Reichtum.
Ein geschickter politischer Schachzug mit der Selbstverpflichtung, sich an die Gebote Gottes zu halten.
Der Traum nur Show?

Salomo der Träumer

Ein weises Herz, Reichtum und Ehre, ein langes Leben.
Das ist die eine Seite.
Doch seine Regierungszeit hinterlässt ein zwiespältiges Bild.
Ein Baukönig hier. Eine luxuriös-aufwändige Hofhaltung dort.
Die Handelsbilanz war in schwarzen Zahlen.
Der Sklavenhandel in vollem Gang.
Ein weltoffener und gebildeter Politiker.
Er fördert Kunst und Wissenschaft.
Doch er merkt nicht, dass sein Reich anfängt zu bröckeln.
Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer.
Nach ihm wird das große Reich Israel zerfallen.

Hinterlässt Gott nicht ein zwiespältiges Bild?
Reichtum, Ehre, ein langes Leben für das Befolgen von Geboten?

Das ist ein Thema für ein Gespräch – ein Traumgespräch.
Wenn ich Gott sagen höre: „Bitte, was ich dir geben soll!“
Und ich höre mich sagen: „Antworten!
So viele konnten deine große Barmherzigkeit erfahren. In Wahrheit und Gerechtigkeit und mit aufrichtigem Herzen standen sie vor dir.

Doch wieso bleiben die Armen arm, die dich lieben Gott?
Wieso werden Menschen überall durch Gewalt, Ausbeutung und Krieg gequält?
Wo sind die guten Ideen, die überzeugenden Argumente und die heilsame Wirklichkeit gegen den rechten Unrat?
Ein Gespräch mit dir, Gott, das ist meine Bitte: wie in dieser einen Nacht.“

Eine traumhafte Nacht …

… Es war eine traumhaft Nacht.
Er hatte sich vorbereitet.
Frisch gewaschen. Kein einziger Fleck auf seiner Kleidung.
Ein Wohlgeruch umströmte ihn.
Er näherte sich dem besonderen Ort – auserwählt für die Begegnung, die er sich erhoffte.
Was dann geschah, übertraf alle seine Erwartungen.
Manches hatte er sich gewünscht.
Aber er wusste um seine jugendliche Unerfahrenheit.
Manchmal wusste er weder ein noch aus.

Es wurde eine traumhafte Nacht.
Es kam zu einem traumhaften Gespräch.
Im Dunkel der Nacht.
Nicht mehr allein sein.
Nicht im Traum und nicht im Leben.
Gott und Salomo.
Ein unsichtbares Band zwischen Bitten und Erfüllen, Gefallen und Erfordern.

Ein Bund zu Gottes Bedingungen:
Gibt, worum du nicht gebeten hat.
Fordert: Bitte, was ich dir geben soll.
Dem es gefällt, wenn er um etwas gebeten wird.
Ein Gespräch, von anderen nicht gesehen.
Gott und Du – ein Traumgespräch.
Eine einzigartige sprachliche Verbindung.

Träumer sind Gottes geliebte Kinder.

Im Traum, wenn die Selbstbestimmung weniger wird.
Wenn man sich selbst vergisst.
Mit traumwandlerischer Sicherheit findet Gott den Ort, an dem wir ausgeliefert sind.
An der Grenze zwischen Wachen und Schlafen, wo wir der Macht unserer Träume ausgeliefert sind.
Kräfte können geraubt werden.
Es kann fiebrig heiß und zitternd kalt werden.
So aufwühlend, dass sich alles dreht – vom Körper bis zum Geist.
So anstrengend, dass wir erstarrt sind.
Bewegungslos.
Müde und matt.

In der Nacht in der wir darauf angewiesen sind, dass der, der kommt, es gut mit uns meint.

Träumen

Salomos Traum ist ein Anfang.
Ein Anfang Träumen neu zu lernen.

Angefangen hat es mit dem hörenden Herz.
Mit einem Herz, das sich berühren lässt von der Schönheit dieser Welt.
Mit einem Herz, das wach ist für die Nöte der Menschen.
Mit einem Herz, das empfänglich bleibt für die leisen Töne in der lauten Welt.
So ein hörendes Herz will ich mir auch bilden.
Ein Herz nach dem Herzen Gottes.

Dann kann es seinen Gang gehen ….

Ein Gespräch am Anfang.
In der Nacht.
Zu zweit.
Mehr bekommen als erhofft.
Zukunft ist angelegt.
Dann gehen Träume ihren eigenen Gang.

Traumhafte Nächte bringen neue Ideen mit.
Dinge, die Du noch nie gedacht hast.
Eine Vergessene Sprache erbeten von Träumen – im Klassenzimmer und auf dem Thron.
Dann – nach dem Traum – wach werden.
Die Sonne geht auf.
In seinen Wegen wandeln.
Sich einen anderen Gang zulegen.
Seinen Gang mit hörendem Herz.

und:
Ein Festmahl für die Großen …
„Ein Festmahl für die Großen feiern?“

„Nein, Salomo. Nicht für die Großen.
Auch für die Kleinen in Frieden.
Für alle.“

„Du Träumer!“, hör ich rufen.

Träumer sind Gottes geliebte Kinder.

Träume sind Gottes vergessene Sprache.

Amen

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