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  • Was die Seele satt macht

    Was die Seele satt macht

    Predigt zu Johannes 6,47–51 am Sonntag 30.März 2025 – Sonntag Lätare

    1. Kalorien gegen Kummer – wenn Trost schwer zu finden ist

    Essen ist tröstlich. Schon in der Kindheit hilft nichts so schnell über eine Schramme hinweg wie ein Eis.
    Später lindert Seelen-Futter Liebeskummer, Stress im oder Ärger in der Familie.
    Kalorien gegen Kummer.

    Auch Claudia, ich nenne sie einfach mal so, ist davon betroffen.
    Den ganzen Tag über hat sich bei ihr Unzufriedenheit aufgestaut.
    Der Wecker klingelt viel zu früh.
    Stress pur im Job: Der Chef mäkelte an ihren Bilanzen herum. Kunden waren ungeduldig.
    Der Heimweg war auch nicht besser: Stau auf der Strasse, Gehupe von Ungeduldigen.
    Endlich Zuhause: Sofa, Fernbedienung, Schokolade.
    Heute muss es eine XXL-Packung sein.
    Aus manchmal wird eine Gewohnheit.

    Doch die Süßigkeiten helfen nur kurz.
    Danach ist die Leere wieder da – und zusätzlich das schlechte Gewissen.
    Der Arzt hat auch schon vor Diabetes gewarnt.
    Aber Claudia fehlt die Kraft etwas zu ändern.

    Claudia – das ist nur ein Name.
    Es könnte auch Marie sein. Oder Sven. Oder Thomas.
    Denn dieses Frust essen kennen viele von uns.

    In der Kindheit haben wir gelernt: Essen tröstet.
    Darum greifen wir Erwachsene auch zum Keks, zum Eis, zur Pizza, wenn das Herz leer ist.
    Die Ernährungswissenschaftlerin Martina Tischler bringt es auf den Punkt:
    „Essen wird so zu einem Vertrauten, einem Freund.
    Es unterhält uns, wenn uns langweilig ist.
    Es bringt uns Freude, wenn wir traurig sind.
    Es nimmt uns den Stress – aber immer nur für kurze Zeit.“

    2. Der Hunger der Seele

    Doch was ist das für ein Hunger, der bleibt, auch wenn der Magen längst voll ist?

    Es ist der Hunger der Seele.
    Die Sehnsucht nach Anerkennung.
    Nach Liebe. Nach Trost.
    Nach Geborgenheit.

    Wir versuchen diesen Hunger zu stillen –
    mit Arbeit, Besitz, Zerstreuung und Essen.
    Aber satt werden wir nicht davon.

    Und genau an dieser Stelle setzt das Evangelium des heutigen Sonntags an.
    Jesus sagt:

    „Ich bin das Brot des Lebens. […] Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit.“ (Joh 6,48–51)

    3. Jesus – das Brot des Lebens

    Jesus spricht zu Menschen, die selbst voller Sehnsucht waren.
    Damals wie heute.
    Sie kamen in Massen zu ihm.
    Sicherlich auch aus Neugierde.
    Aber auch weil sie spürten, da gibt es mehr als Worte.
    Bei ihm gibt es Leben.
    Er heilte,
    er half,
    er hörte zu.
    Und er sprach mit einer Autorität, die nicht überforderte, sondern ermutigte.

    Seine Worte sind Balsam für erschöpfte Seelen.
    Seine Nähe ist Nahrung für das Herz
    Seine Botschaft ist die Hoffnung für alle, die sich leer fühlen.

    „Ich bin das Brot des Lebens“ das ist mehr als ein schöner Vergleich.
    Das ist eine Verheißung.

    4. Keine Sättigung durch Konsum

    Unsere Zeit bietet unzählige Glücksversprechen.
    Werbung, Lifestyle,Social Media
    – überall heißt es:
    „Kauf mich, dann wirst du glücklich“
    Oder
    „Verdiene mehr, dann bist du wer!“
    Oder
    „Iss das, dann fühlst du dich besser.“
    Doch das dickste Konto macht die Seele nicht satt.

    In diesem Zusammenhang aber eher zum Schmunzeln:
    Der Künstler Georg Joachim Schmitt hat den Nährwert von Geld einmal im Labor testen lassen.
    Ergebnis: Fast nichts.
    100 g D-Mark – so sagte er damals – seien eine Null-Diät.
    Ich denke beim Euro ist es auch nicht besser.

    Das ist natürlich absurd – aber im Kern wahr:
    Geld, Besitz, Status – sättigt nicht.
    Es gleicht Meerwasser:
    Je mehr davon getrunken wird, desto größer wird der Durst.

    5. Nahrung, die bleibt -und trägt

    Jesus bietet etwas anderes an.
    Keine Vertröstung.
    Kein Zucker-Schub für den Moment.
    Sondern Brot, das trägt.
    Er gibt sich selbst: „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch – für das Leben der Welt“.

    Im Abendmahl wird das konkret.
    Wir empfangen ihn – in Brot und Wein.
    Und in dieser Hingabe liegt die Kraft, die meine Seele satt macht.
    Ich bin angekommen.
    Geliebt.
    Nicht wegen meiner Leistung, sondern aus Gnade.

    Das befreit.
    Das nimmt den Druck.
    Das schenkt Frieden – tief innen.

    6. Gesättigt – um zu geben

    Wer so gesättigt ist, wird selbst zur Quelle für andere.

    So wie Kelvin, ein neunjähriger Junge aus Louisiana.
    Er sieht einen verwahrlost wirkenden Mann vor einem Café.
    Er Hat Mitleid und schenkt ihm einen Dollar.

    Was er nicht weiß:
    Der Mann ist ein reicher Unternehmer, der nur zufällig wie ein Obdachloser aussieht.
    Matt, der Inhaber eines Sportgeschäfts, floh an diesem Morgen aufgrund eines Feueralarms aus seinem Wohnkomplex und trug daher ungepflegte Kleidung.
    Matt ist von der Geste so gerührt, dass er Kelvin belohnen wollte.
    Kelvin durfte in seinem Sportgeschäft innerhalb einer Minute alles auswählen, was er haben wollte.
    Am Ende sagt der Geschäftsmann: „Kelvin hat mir den Glauben an die Menschheit zurückgegeben.“
    Und Kelvin?
    Der sagt: „Ich habe mich doppelt gefreut – dass ich helfen konnte und über das Geschenk.“ Quelle

    7. Die Seele wird satt – durch Liebe

    Aber was bedeutet das für Claudia?
    Wie kann sie diese Erkenntnis in ihr Leben integrieren?

    Sie könnte beginnen, ihren Frust vor Gott zu bringen, anstatt ihn in Schokolade zu ertränken.
    Vielleicht mit einem einfachen Satz wie:
    „Herr, du siehst meine Erschöpfung.

    Fülle du mich mit neuer Kraft.“
    Denn Jesus ist kein Ernährungsberater, er wird ihr keine bessere Ernährung empfehlen – er möchte ihre Seele sättigen.

    Aber wie macht er dass?
    Jesus sättigt die Seele durch seine Nähe.
    Er ist nicht fern, nicht unerreichbar.
    Er ist da!
    Er ist da, in jedem Moment, in jedem Atemzug.
    Er sieht Claudia, wenn sie müde, ausgelaugt von der Arbeit nach Hause kommt.
    Er hört ihre unausgesprochenen Sorgen.
    Er kennt ihren Hunger nach Anerkennung.
    Und er sagt: „Ich lasse dich nicht allein. Ich trage dich.“

    Jesus sättigt die Seele durch seine Liebe.
    Da gibt es kein: „Mach mehr! Sei besser! Streng dich an“
    Sondern es gibt Liebe, die einfach da ist.
    Liebe, die sagt: „Du bist genug. Du bist wertvoll. Ich bin für dich da“

    Vielleicht entdeckt dann Claudia, dass ihre Seele durch Geben selbst erfüllt wird.
    Dass Helfen und Teilen selbst Freude schenken.
    Sie könnte sich engagieren,
    anderen eine Freude machen,
    ein kleines Licht für jemanden sein.
    So wie der Junge aus Louisiana,
    der mit einem Dollar das Herz eines reichen Mannes bewegte.
    Denn Freude und Liebe sind das eigentliche Brot, das satt macht.

    Und schließlich darf sie lernen, Gnade zuzulassen.
    Auch sich selbst gegenüber.
    Sie muss nicht perfekt sein,
    nicht immer stark,
    nicht immer diszipliniert.

    Jesus sagt nicht: „Streng dich mehr an!“
    Jesus sagt: „Komm zu mir! Ich bin das Brot des Lebens.“

    Wenn Claudia nach und nach lernt, auf Gottes Fürsorge zu vertrauen, dann wird sie erleben:
    Ihr Hunger nach Trost wird nicht mit Zucker gestillt,
    sondern mit echter Liebe.
    Ihr Verlangen nach Anerkennung muss nicht mit Kalorien erkauft werden.
    Sondern sie darf sich sicher sein:
    Ich bin, wie ich bin.
    Ich bin von Gott gewollt, geliebt und angenommen.

    Und das macht wirklich satt!
    Amen


    Gehalten in Dörnach am 30.03.2025

  • Narrenpredigt über Amos 5, 21-24

    Narrenpredigt über Amos 5, 21-24

    Auch wenn ich im Reimgedichte
    heut von Gottes Wort berichte,
    bitten wir, eh wir loslegen,
    wie gehabt um Seinen Segen.
    Gnade sei Euch, Frieden von Gott.

    Nun aber die Bibel aufgeschlagen, ganz flott
    Wir hören aus dem 5. Kapitel des Amos.
    Spitzt die Ohren und jetzt los:

    So spricht der Herr Zebaoth:
    _Ich hasse, ja ich verabscheue eure Feste, und eure Gottesdienste mag ich nicht riechen –
    auch wenn ihr mir Brandopfer darbringt.
    Ich habe keinen Gefallen an euren Speiseopfern.
    Und euer Mastvieh, das ihr zum Abschluss als Opfer darbringt, soll mir nicht unter die Augen kommen.
    Lasst mich in Ruhe mit dem Lärm eurer Lieder!
    Auch euer Harfenspiel mag ich nicht hören!
    Vielmehr soll das Recht wie Wasser strömen und Gerechtigkeit wie ein Bach, der nie versiegt.

    Liebe Gemeinde, ich pack ein:
    Himmel, kann Gott sauer sein!
    Seiner Wut auf all die Frommen
    (wir wohl auch nicht ausgenommen)
    lässt er hier grad freien Lauf.

    Himmel, wie ist Gott denn drauf?!
    Stopp, denn eins sei festgehalten:
    Gottes Denken, Fühlen, Walten
    kann in Wahrheit keiner kennen,
    das muss man auch hier benennen:

    Ein Mensch ist‘s, von dem die Worte kamen,
    doch sehr wohl in Gottes Namen.


    Vor fast dreitausend Jahren,
    als die Leut noch Hirten waren,
    lebt‘ im Süden Israels,
    zwischen Steppengras und Fels,
    ganz verstecklt auf dem Land,
    Amos, der etwas verstand
    von der Schaf- und Ziegenzucht
    und der Maulbeerfeigenfrucht.

    Amos war sehr ehrlich drauf,
    was er sagte, das tat er auch,
    nahm sich seines Nächsten an,

    Amos war ein guter Mann.
    Eines aber stank ihm mächtig an:
    Wie die Reichen – ach so prächtig –
    oben in den großen Städten
    lebten wie die Küh‘, die fetten,
    nicht nach Recht und Ordnung fragten
    und die kleinen Leute plagten.

    Ihre Kult- und Feierplätze
    waren voller goldner Schätze.
    Bis ihnen der Kamm anschwoll,
    sangen sie dort salbungsvoll.

    Doch das Volk, der arme Mann,
    sollt‘ sehen, wo er bleiben kann.

    Amos war voll heißer Wut.
    Darum nahm er seinen Mut
    zusammen, packte seine Sachen,
    um sich auf den Weg zu machen
    nach Norden, wo die Zentren waren
    von Kult und Religionsgebaren.

    Traktoren gab’s damals noch keine,
    sonst hätt‘ Amos nicht die Beine
    sondern seinen Lanz bewegt
    und sich mächtig angelegt
    mit den heuchlerischen Leuten,
    die das Volk so ließen leiden.

    Dort am Kultplatz angekommen,
    hat er Festklänge vernommen.
    Sie feierten – nicht Fasching, nein –
    ein Wallfahrtsfest musste das sein.

    Bunt und wild und übertrieben
    ließ man da die Fetzen fliegen.
    Theatralische Gesänge,
    Opferrauch, Beschwörungsklänge
    stiegen schwer zum Himmel auf.

    Amos rief: „Da scheiß ich drauf!
    Eure falschen Heuchelriten
    könnt Ihr Euch sonstwo hin schieben.

    Fangt doch an, gerecht zu leben,
    andern etwas abzugeben.“

    So schön zornig war er grad,
    dass er noch ein Wörtchen hatt‘:
    „Ihr wart einmal Gottes Volk,
    geliebt, erwählt, beschützt, gewollt.
    Er hat euch aus der Sklaverei
    Ägyptens los gemacht und frei.
    Die Wasser hat er Euch geteilt,
    von Durst und Schlangen Euch geheilt,
    die Wüste für Euch grün gemacht,

    Euch behütet Tag und Nacht.
    Gebote hat er Euch gegeben,
    damit ihr lernt, in Freiheit leben.
    Ihr solltet alle sieben Jahr
    der Erde Ruhe gönnen gar.
    Und in dem großen Jubeljahr
    nach sieben mal sieben Jahren war,
    Erlass der Schulden angesagt,
    für jeden, der sich nur noch plagt‘,
    um Zins und Zinseszins zu bringen,
    seinem Herrn. Vor allen Dingen
    sollt‘ jedem gelten gleiches Recht,
    jeder frei sein, keiner Knecht.

    Nun sage ich Euch, liebe Leute:
    Seht auf Eure Feste heute!
    All die scheinheiligen Gesänge,
    dieser Mief, all diese Enge.
    Jedes Wort von Euch gelogen!
    Fremden seid ihr nicht gewogen.
    Frauen zwingt ihr mit Gewalt
    zur Prostitution, bis sie bald
    als Witwen arm und krank vergehen.
    Nein, all das will Gott nicht sehen!

    Ihr lernt, euch das Recht zu biegen,
    um mehr und immer mehr zu kriegen.
    Jedes Schlupfloch nutzt ihr aus,
    kommt aus jeder Schlinge raus.

    Ihr glaubt, die Worte, die Gott spricht,
    gelten andern und Euch nicht?
    Nein, denn eines sag ich Euch:
    Gott sieht diesen Frevel gleich!

    Euer Opfer stinkt zum Himmel,
    all das kultische Gewimmel,
    Eure Lieder und Umtriebe
    spotten Gottes großer Liebe.“

    So schalt damals der Prophet
    die Oberen des Volks beredt.
    Und er kam zum klaren Schluss,
    dass sich etwas ändern muss.

    Recht im Land muss wieder blühen,
    dafür soll’n die Menschen glühen,
    dass der Segen sich vermehrt
    und die Herzen zu Gott kehrt.


    So, Ihr Lieben, soweit das.
    Aber sagt uns das nun etwas?

    Muss uns das auch heut bedrücken,
    wenn wir auf die Kirche blicken?

    Gerade, wo in letzter Zeit,
    bekannt geworden, wie weit und breit
    Gewalt und Missbrauch vorgekommen
    und nicht wurden ernst genommen,
    jahrelang verdeckt, verborgen,
    totgeschwiegen – nur aus Sorgen
    um das Ansehen vom Verein
    Kirche. Das kann doch nicht sein!

    Scharenweis verlassen Leute
    die Institution Kirche heute.
    Manchen ist das Geld zu schad,
    andre sehn, dass Wort und Tat
    auch bei uns nicht immer stimmen,
    unser Mut und Glauben schwimmen.
    Dass wir zu klein von Gott denken,
    das Schiff lieber selber lenken.

    Jeder schwätzt vom Strukturieren,
    Um- und Neuorganisieren.
    Noch ein Gremium, das mit Fleiß
    krampfhaft um sich selber kreist,
    noch mehr Fachberater*innen,
    die dich fluten mit Terminen.

    Statt im wirklichen Geschehen
    zu den Menschen hinzugehen,
    ihnen Zeit und Mut zu schenken
    und an andere zu denken.

    O, das kann man wohl beklagen
    und mit dem Propheten fragen:
    Wie sieht dies, o Schreck, o Graus,
    in den Augen Gottes aus?

    Sollten wir nicht schlicht und klein
    wieder mehr wir selber sein?
    Unsere klein gewordenen Kreise,
    unsre Lieder, das Schwache, das Leise,
    sind von Gott wohl mehr gewollt
    als ein ganzer Dom voll Gold.

    Ist’s doch so, wie Paulus schreibt,
    dass jeder Mensch ein Sünder bleibt,
    mangelnd des Ruhms, den wir vor Gott haben sollten.
    Wir leben davon, dass uns gegolten
    die Liebe Jesu am Kreuz der Welt
    und dass wir neu ins Licht gestellt.

    Mit Jesus, lieber guter Christ
    (und weil gerade Fasching ist)
    ermunt’re ich dich schlicht aufs Neu:

    Lebe fromm, frisch, fröhlich, frei!
    Tu das Kleine, was heut geht,
    weil ja Jesus zu dir steht.

    Was du geben kannst, gib gern
    für den Mitmenschen, den Herrn.

    Das gilt für Kirche in all ihren Gliedern:
    Lieber klein und ehrlich, als sich anzubiedern
    mit einem ums andre „Mega-Event“
    wie man das Kultgeschehen heut nennt.

    Wir können gemachte Fehler bekennen
    und uns trotzdem Gottes Kinder nennen.

    Woll‘n unsere dankbaren Lieder singen
    und jedem eine Ermutigung bringen,
    der einsam ist, müd oder krank,
    wollen Gott loben ein Leben lang.

    Diese alltäglichen kleinen Gaben
    sind alles, was wir zu bieten haben.
    Sie sind aber – wie Amos gewusst –
    für Gott im Himmel die größte Lust.

    Gutes zu tun und zu teilen in Not,
    solche Opfer gefallen Gott.
    Weil das uns wirklich hoffen lässt,
    wird unser Leben durch Jesus zum Fest.


    Und der Friede Gottes – das sei noch angehängt –
    der weiter reicht, als unser Kopf denkt,
    bewahre in uns Herz und Sinn
    und führe uns zu Christus hin.

    Amen

  • Wo finde ich Gottes Gnade – Predigt zu 2. Korinther 6, 1-10

    Wo finde ich Gottes Gnade – Predigt zu 2. Korinther 6, 1-10

    Wo ist Gottes Gnade?
    Wo kann ich sie entdecken?

    Ich höre die Bundestagsdebatte und Worte wie:
    Zeitwende, Paradigmenwechsel, Aufstockung des Verteidigungshaushalts.
    100 Milliarden werden eben mal zur Verfügung gestellt.
    Für Waffen!
    Um wehrhaft zu sein. Verteidigungsbereit. Gnade?

    Ich höre aber auch nachdenkliche Worte.

    Das unsere Hände nicht sauber bleiben können.
    Dass wir nicht wissen, ob das, was jetzt richtig ist, auch morgen gut ist.
    Ich höre, wie die Abgeordneten miteinander ringen, miteinander suchen.
    Ja, die Tage davor haben auch an ihnen gezerrt.
    Ich sehe sie als Menschen, die wissen, wie groß ihre Verantwortung ist. Und ich bitte für sie um Gottes Gnade.

    Wo ist Gottes Gnade?
    Wo kann ich sie entdecken?

    Ich sehe diesen gnadenlosen Machthaber im Kreml.
    Ich höre seine Lügen, seine Sätze voller Demagogie.
    Das Netz flutet mich mit Bildern, wie er mit nacktem Oberkörper auf einem Pferd reitet.
    Wie er am übergroßen Tisch sitzt – allein.
    Am anderen Ende irgendwelche Berater, wenn sie denn Berater sind. Gnade?

    Und ich denke:
    Wie einsam musst du, Vladimir, sein?
    Was hat deine Seele so vergiftet?
    Warum hast du nur Berater und dich herum, die dir immer zustimmen?
    Sie wollen weder dein Bestes noch das Beste des Landes.
    Und du offenbar auch nicht.

    Wie können wir dich bewegen, dein Herz zu spüren?
    Dein Mitgefühl nicht wegzudrücken? Und auch, wenn ich dich in die Hölle wünsche, bitte ich für dich um Gnade, Vladimir Putin.

    Und was sagt Paulus im 2. Brief an die Korinther 6, 1-10

    Nehmt die Gnade Gottes an, dass sie nicht ohne Wirkung bleiben soll, sagst du, Paulus.

    Es ist, als ob du mir einen riesigen Container hinstellst.
    Ein Container mit lauter Müll drin und ganz unten oder irgendwo dazwischen ist die Gnade versteckt.

    Kram sie hervor, sagst du.
    Sie ist da, sagst du.
    Sie ist auf jeden Fall da, die Gnade. „Siehst du sie etwa nicht?“, fragst du.

    Nein, sie ist untergegangen im Feuer im Atomkraftwerk.
    Sie ist verschwunden durch die Schüsse auf die Hochhäuser von Kiew. Sie ist versteckt im Wimmern der Alten, die sich in den U-Bahn-Schächten verstecken müssen und nicht wissen, ob sie in ihre Wohnungen zurückkönnen.

    Mit den Waffen der Gerechtigkeit kommen wir nicht mehr weiter.
    „Keine Gewalt, nur das Wort!“, hat einst Luther gesagt.
    Aber das zählt gerade nicht.

    Ja, jetzt ist von einer Zeitwende die Rede.
    Es ist die Zeit der Eskalation, der militärischen Stärke. Es ist nicht die Zeitwende, die der Gnade Raum gibt.

    Trotzdem ist die Gnade da

    Und doch ist die Gnade da, sagst du, Paulus
    Die Gnade.
    Die Menschenfreundlichkeit Gottes.
    Seine Liebe.
    Seine bedingungslose Liebe zu allem, das lebt und atmet und liebt, lacht und weint.
    Vielleicht ist sie verschüttet, aber sie ist da. Suche nach ihr, sagst du.

    Und ich denke an den Propheten, der sich Jesaja nennt.
    Er lebt im Exil, weit weg von seinem Zuhause.
    Seinen Leuten geht es dreckig.
    Er selbst wird verhöhnt.

    Trotzdem hört er Hoffnungsworte von seinem Gott und die gibt er weiter: „
    Sagt den Gefangenen:
    Geht hinaus!
    Sagt zu denen in der Finsternis: Kommt heraus!
    Ihr Erbarmer wird sie führen und sie an die Wasserquellen leiten.
    Ich will alle meine Berge zu ebenen Wegen machen und meine Pfade sollen gebahnt sein.“

    Er sagt es, obwohl er weiß, dass das außer ihm niemand sonst sieht und hört.
    Er klammert sich an Gott,
    an Gottes Wort.
    Er klammert sich an das, was Gott versprochen hat:

    Ich bin für euch da. Gerade für euch- und gerade jetzt.

    Es ist unser Auftrag, diese Gnade zu verkünden.

    Entgegen allem Augenschein.
    Entgegen allem Pessimismus.
    Entgegen jedem Frust.

    Wir Christen und Christinnen klammern uns an diesen Jesus, der in die Wüste ging und mit dem Teufel kämpfte.
    Und als dieser ihm anbot ihm die total Macht zu geben, da lehnte er ab.
    Weil er wusste:
    Ich gehöre nach ganz unten.
    Dort wo die Menschen sind.
    Wo sie lachen und weinen, klagen und schreien.

    Dort im U-Bahn-Tunnel in Kiew und in den Flüchtlingslagern Griechenlands.
    Dort am polnischen Grenzzaun, wo nur weiße Flüchtlinge durchgelassen werden.
    Dort gehöre ich nicht hin und nicht an den riesigen Tisch der Befehlshaber.

    An diesen Jesus klammere ich mich.
    An diesen Jesus, der mit Spucke und Lehm den Blinden beschmiert, damit dieser wieder sehen kann.
    Der um seinen Freund Lazarus weint und sich im Jordan taufen lässt, wie alle anderen Sünder auch.

    Ich klammere mich an diesen Jesus,
    der in einer Krippe geboren wird von einer jungen Frau, die nichts zählt.
    An diesen Jesus klammere ich mich, der seine Feinde liebt und mich auch und vermutlich sogar Putin.

    Ich bin froh, dass er es tut, denn ich kann es gerade nicht:
    Putin lieben und die Menschenverächter dieser Welt.

    Aber ich kann auf ihn zeigen, auf diesen Jesus. Der kann das, was ich gerade nicht kann.
    Und vielleicht genügt das.
    Jedenfalls im Moment.

    Ich suche nach der Gnade.
    Und vielleicht finde ich sie gerade nur bei diesem Jesus, der alles Furchtbare aushält.
    Der ans Kreuz geht.
    Der die Armen und Traurigen seligpreist und mir ein Senfkorn hinhält.
    Hier sagt er, ist das Reich Gottes.
    Das ist die große Liebe Gottes. Sie macht sich klein und ist doch unendlich groß.

    Ich suche nach der Gnade,
    nach der unendlichen Liebe Gottes,
    die sich so klein macht,
    dass ich sie übersehen und überhören könnte.

    Ich finde sie in den Worten von Annette Kurschus, der EKD-Ratsvorsitzenden, die sie in Berlin vor zigtausend Menschen gesprochen hat:

    „Lasst uns präzise bleiben in unserem Denken und Reden.
    In aller Empörung – wir bleiben dabei:
    Wir verweigern uns der Verführung zum Hass.
    Wir verweigern uns der Spirale der Gewalt.
    Wir werden der kriegslüsternen Herrscherclique in Russland nicht das Geschenk machen, ihr Volk zu hassen.“

    Und weiter: „Wo der Friede werden soll, da kommt es auf uns an.
    Es kommt auf uns an, die Worte zu wägen, Unrecht beim Namen zu nennen und doch nicht zu hassen.
    Es kommt auf uns an, den leidenden Menschen in der Ukraine, den verängstigten Menschen in unseren Nachbarländern unsere Solidarität zu zeigen.
    Keine billige, sondern eine, die uns etwas kostet.
    Es kommt auf uns an, den Menschen in Russland, die sich gegen den Krieg stellen, unsere Achtung zu bezeugen.
    Es kommt auf uns an, den Menschen, die flüchten, zu helfen, ihren Weg zu öffnen, damit sie ihr Leben retten können, und sie aufzunehmen.“

    Gnadenworte.
    Und ich suche weiter nach der Gnade.

    Ich finde sie bei Anna und Ramon, die in Russland auf die Straße gehen und gegen Putin demonstrieren.
    Ich finde sie bei Liane, die für 5 Frauen mit 13 Kinder aus der Ukraine Unterkünfte gefunden hat.
    Ich finde die so große und so kleine Gnade bei Männern und Frauen in ukrainischen Dörfern, die sich mit bloßen Händen den russischen Panzern entgegenstellen und den Russischen Soldaten zu essen geben.
    Ich finde die Gnade in den Friedenslichtern, die überall entzündet werden.

    Ist das die Gnade, die du, Paulus meinst?

    Ist das die Gnade, die ich annehmen soll, damit sie nicht ohne Wirkung bleibt?
    Die Gnade in den Gegensätzen meines Lebens?

    Paulus, du sagst:
    „Wir sind von Tod bedroht, und seht doch: Wir leben!
    Wir werden ausgepeitscht und kommen doch nicht um.
    Wir geraten in Trauer und bleiben doch fröhlich.
    Wir sind arm und machen doch viele reich.
    Wir haben nichts und besitzen doch alles!“

    Und ich stimme ein: Ich bin erschöpft und trotzdem wach.
    Ich habe Angst und klammere mich trotzdem an die kleinen Hoffnungszeichen.
    Ich erlebe Krieg und glaube trotzdem an den Frieden.

    Ich habe nichts vorzuweisen und habe doch alles –

    Denn sie ist da, die Gnade, die unendliche Liebe Gottes.
    Sie ist da und ich suche weiter nach ihr.
    Gerade jetzt.
    Zusammen mit Jesus.

    Amen.

  • Das geknickte Rohr – Predigt zu Jesaja 42,1-9

    Das geknickte Rohr – Predigt zu Jesaja 42,1-9

    Haben Sie einen Satz, der Ihnen besonders lieb ist?

    Gibt es einen biblischen Satz, der Ihnen besonders wichtig ist?

    Am liebsten würde ich jetzt Ihre Lieblingssätze anhören – und natürlich auch, weshalb Ihnen diese Worte so viel bedeuten.

    Der biblische Satz, der mir wichtig und lieb ist, steht im 42. Kapitel des Prophetenbuches Jesaja.

    Er beschreibt den Menschen, an dem Gott Gefallen findet und ihn stützt.

    Es ist der 3. Vers:
    „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus.“

    Ich dachte immer, dass sich der Satz auf Jesus bezieht und war ganz überrascht diesen Vers im Alten Testament zu finden.

    Doch hier freut sich Gott an einem Menschen, der sich mit jenen abgibt, die in ihrem Leben fast ganz unten angekommen sind.
    Für sie und mit ihnen ist er da und hütet oder behütet den kleinsten Funken Hoffnung.
    Diesen Jemand liebt und stützt Gott, heisst es bei Jesaja, denn:‚Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus‘.

    Als dieser Satz niedergeschrieben wurde, war er an das Volk aus Juda im babylonischen Exil gerichtet, damals im 6. Jh. v.Chr..
    Das Volk sollte durch den babylonischen König Nebukadnezar ausgerottet werden.
    Er hatte bereits Jerusalem und den Tempel zerstören lassen.
    Er hatte einen Grossteil des Volkes nach Babylonien zwangsumsiedeln lassen.
    Das Volk mit seinem Glauben an den einen Gott Jahwe sollte ausgelöscht werden.
    Es war damals für die Juden eine ganz, ganz schwierige Zeit.
    Die Menschen wurden gebrochen, ihre Würde geknickt.

    Da war kaum mehr Hoffnung und innerlich begeistertes Lebensfeuer.
    Dem Volk war eine Zukunft in Freiheit und Gerechtigkeit ausgelöscht, niedergebrannt.
    Es war fast ganz unten.
    Die allermeisten dachten: „Uns ist nicht mehr zu helfen, wir gehen nur noch zugrunde.“

    In diese Volks-Situation hinein sprach der namenlose Prophet als Gottes Beauftragter den Satz der Ermutigung.
    Er tröstete und festigte seine Leute mit dem Hinweis auf den, der ihnen aus ihrer großen Not helfen wird.

    Es wird ihn geben.
    Es gibt ihn:
    „Es gibt sie unter euch, die sich mit euch an die gebrochene Geschichte setzen.
    Die euch nicht noch ganz brechen, sondern euch sorgsam und gerecht wieder aufrichten.
    Es gibt ihn.
    Es gibt sie unter euch, die sich mit euch ins Finstere der Ausweglosigkeit setzen und euer bisschen Hoffnung nicht auslöschen, sondern dem Lebensfunken in euch behutsam und geduldig anfachen. Die Sorge tragen bis das Feuer wieder brennt.

    Was vor mehr als 2500 Jahren das jüdische Volk als grausame, tragische Geschichte erlebte – und später im 20. Jh. wieder -, erleben heute andere bedrohte Völker auf dieser Erde.
    Anders zwar, aber nicht weniger schmerzlich.
    Die indogenen Völker in Latein- und Nordamerika, die Tibeter, die Uiguren, die Christen im Sudan und im Irak.
    Sie und andere Völker dazu sollen gebrochen, geknickt und am liebsten ausgelöscht werden.

    Eine politische Herausforderung

    Gott hat Gefallen an ihm, der helfend ganz nach unten geht.
    Ihn nennt Gott ‚mein Knecht, den ich stütze‘.
    Wir können sicher auch sagen: Gott nennt sie ‚meine Dienerin, die ich stütze‘.

    Im Buch Jesaja steht:
    „Gott hat Gefallen an jenen und stützt sie, die das geknickte Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen.“
    Eine politische Herausforderung für alle, die sich Christen und Juden nennen. Für alle, denen die Heilige Schrift Gottes Absicht für alle Völker offenbart.

    Es gibt sie, die Männer und Frauen, die sich jener liebevoll annehmen, die im Leben einen Knacks bekommen haben. Deren Geschichte schmerzhafte, hindernde Brüche kennt – aus was für Gründen auch immer.
    Es gibt sie, die Leute, die für jene einstehen, die auf der Schattenseite des Lebens verkümmern.
    Die sich nur noch in die Einsamkeit zurückziehen und sich verschliessen – aus was für Gründen auch immer.

    Es gibt sie zwar auch, auch als Christen, die Menschen, die manchmal schnell bereit sind zu sagen: „Selber schuld; jetzt soll halt ganz fallen, was am Fallen ist; jetzt soll halt ausgelöscht werden, was nur noch so am Flackern ist.
    Menschen sind manchmal stark im Zerbrechen geknickter Rohre, im Auslöschen glimmender Dochte.

    Doch in der Heiligen Schrift sagt Gott, dass er den Umgang mit den Schwachen, vielleicht Versagenden und den seelisch Armen anders sieht.
    Er hat Gefallen an allen, die in seinem Geist handeln, und nennt sie seine Diener und Dienerinnen, denn:
    „Das geknickte Rohr brechen sie nicht und den glimmenden Docht löschen sie nicht aus.“

    Ich möchte einfach gerne allen danken, die als gute und behutsame Dienerinnen und Diener Gottes gebrochene und umnachtete Mitmenschen liebevoll und helfend begleiten.
    Ich tue dies nicht nur aus theoretischem Einverständnis mit meinem biblischen Lieblingssatz, sondern aus persönlicher Erfahrung und Betroffenheit.

    Das eigene Gebrochen sein

    Ich kenne, wie sicher einige von Ihnen auch, das eigene Gebrochen sein wie ein geknicktes Rohr, das eigene Sitzen im Finstern und in der inneren Kälte wie ein noch glimmender Docht.
    Aus vielen Gründen gibt es manchmal für junge und ältere Leute so nichts Freudiges mehr.
    Kein Ziel.
    Nichts, wofür es sich eigentlich lohnt.
    Gesammelte Enttäuschungen vielleicht.
    Schuld und Ausweglosigkeiten, Erniedrigung und Demütigungen.

    Vielleicht ist alles so wie zu einer blossen Frage ohne Antwort, zu einem Gedankenstrich ohne Folgetext geworden.
    Da denke ich dankbar an all jene, die mich und andere nicht noch ganz gebrochen und ausgelöscht haben, sondern uns beim Aufrichten und beim Finden des inneren Lichtes liebevoll geholfen haben.

    Zur Zeit des babylonischen Exils hat der Prophet kaum auf einen Knecht Gottes hingewiesen, der dann nach über 500 Jahren einmal kommen wird.
    Es war damals sicher nicht eine Verheissung, die sich in Jesus Christus dann einmal erfüllen sollte.
    Da müssen wir unsere jüdischen Mitmenschen fragen, wie sie die Erfüllung der Prophetie verstehen.

    Doch als Christ darf ich, als Christen dürfen wir uns trotzdem fragen, wie weit Jesus Christus für uns der ist, der unser Leben immer wieder will, auch wenn wir noch so am Boden liegen.
    Für mich ist er so ein Gottesknecht in seiner radikalen Hingabe für die Schwachen, für die ganz unten.
    Ihm ging und geht es immer drum, dass die Menschen aus ihrer Not Erlösung finden.
    Dass sie aus ihrem Dunkel zum Licht finden.
    Dass sie aus ihrem Gefangen sein zur Freiheit und aus ihrem Unrecht zur Gerechtigkeit finden.
    Dafür hat er sich bis zu seinem Tod und in seine Auferstehung als Hoffnungszeichen auch für uns eingesetzt.

    Ich weiß, dass er es für mich, für Sie, für alle Menschen bis heute weiter tut.
    Ich glaube, dass er nicht müde wird bis alle Aufgerichtet und zum Licht des wirklich Glücklich gefunden haben.

    So höre ich gerne mit Ihnen meinen biblischen Lieblingssatz im Zusammenhang mit dem ganzen Lied vom Gottesknecht:

    Lutherbibel 2017 – Jesaja 42, 1-9

    Siehe, das ist mein Knecht, den ich halte, und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen.
    Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen.
    Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus.
    Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung.
    So spricht Gott, der HERR, der die Himmel schafft und ausbreitet, der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Atem gibt und Lebensodem denen, die auf ihr gehen:
    Ich, der HERR, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand. Ich habe dich geschaffen und bestimmt zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden, dass du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker.
    Ich, der HERR, das ist mein Name, ich will meine Ehre keinem andern geben noch meinen Ruhm den Götzen.
    Siehe, was ich früher verkündigt habe, ist gekommen. So verkündige ich auch Neues; ehe denn es sprosst, lasse ich’s euch hören.

    chen, ihre Würde geknickt. Da war kaum mehr Hoffnung und innerlich be-geistertes Lebensfeuer. Dem Volk war eine Zukunft in Freiheit und Gerech-tigkeit ausgelöscht, niedergebrannt. Es war fast ganz unten. Die allermeisten dachten: ‚Uns ist nicht mehr zu helfen, wir gehen nur noch zugrunde‘.In diese Volks-Situation hinein sprach der namenlose Prophet als Gottes Beauftragter den Satz der Ermutigung trotz allem. Er tröstete und festigte seine Leute mit dem Hinweis auf den, der ihnen aus ihrer grossen Not hel-fen wird. Es wird ihn geben. Es gibt ihn:‚Es gibt sie unter euch, die sich mit euch in die gebrochene Geschichte setzen, und euch nicht noch ganz brechen, sondern euch sorgsam und gerecht wieder aufrichten.Es gibt ihn. Es gibt sie unter euch, die sich mit euch ins Finstere der Aus-weglosigkeit setzen und euer bisschen Hoffnung nicht noch ganz auslö-schen, sondern dem Lebensfunken in euch behutsam und geduldig Sorge tragen bis das Feuer wieder brennt‘. Was vor mehr als 2500 Jahren das jüdi-sche Volk als grausame, tragische Geschichte erlebte – und später im 20. Jh. wieder -, erleben heute andere bedrohte Völker auf dieser Erde; anders zwar, aber nicht weniger schmerzlich. Die indogenen Völker in Latein- und Nordamerika, die Tibeter, die Christen im Sudan und im Irak, die Palästi-nenser – sie und andere Völker dazu sollen gebrochen, geknickt und am liebsten ausgelöscht werden. Im Buch Deuterojesaja steht:‚Gott hat Gefallen an jenen und stützt sie, die das geknickte Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen‘.Eine politische Herausforderung für alle, die sich Christen und Juden nen-nen, denen die Heilige Schrift Gottes Absicht für alle Völker offenbart.Liebe Hörer, liebe Hörerinnen, Gott hat Gefallen an ihm, der helfend ganz nach unten geht. Ihn nennt Gott ‚mein Knecht, den ich stütze‘. Wir können sicher auch sagen: Gott nennt sie ‚meine Dienerin, die ich stütze‘. Es gibt sie, die Männer und Frauen, die sich jener liebevoll annehmen, die im Leben einen Knacks bekommen haben, deren Geschichte schmerzhafte, hindernde Brüche kennt – aus was für Gründen auch immer. Es gibt sie, die Leute, die für jene einstehen, die auf der Schattenseite des Lebens verkümmern, die sich nur noch in die Einsamkeit zurückziehen und sich verschliessen – aus was für Gründen auch immer. Es gibt sie zwar auch, auch als Christen, die Menschen, die manchmal schnell bereit sind zu sagen: ‚Selber schuld; jetzt soll halt ganz fallen, was am Fallen ist; jetzt soll halt ausgelöscht werden, was nur noch so am Flackern ist.2Menschen sind manchmal stark im Zerbrechen geknickter Rohre, im Auslö-schen glimmender Dochte. Doch in der Heiligen Schrift sagt Gott, dass er den Umgang mit den Schwachen, vielleicht Versagenden und den seelisch Armen anders sieht. Er hat Gefallen an allen, die in seinem Geist handeln, und nennt sie seine Diener und Dienerinnen, denn:‚Das geknickte Rohr brechen sie nicht und den glimmenden Docht löschen sie nicht aus‘.Ich möchte einfach gerne allen danken, die als gute und behutsame Diene-rinnen und Diener Gottes gebrochene und umnachtete Mitmenschen liebe-voll und helfend begleiten. Ich tue dies nicht nur aus theoretischem Ein-verständnis mit meinem biblischen Lieblingssatz, sondern aus persönlicher Erfahrung und Betroffenheit. Zum einen schaue ich dankbar auf Wegstre-cken mit Leuten zurück, für die andere und auch ich so eine Dienerin Got-tes, so ein Diener Gottes sein konnten, sein durften durch manchmal lange finstere Zeiten oder verbogene Lebensgeschichten hindurch bis wieder hin zum aufrechten Gang und zum Sehen, was im Leben doch möglich ist.Zum andern, liebe Hörer und Hörerinnen, kenne ich wie sicher einige von Ihnen auch das eigene Gebrochen-sein wie ein geknicktes Rohr, das eigene Sitzen im Finstern und in der inneren Kälte wie ein noch glimmender Docht. Aus verschiedenen Gründen gibt es manchmal für junge und ältere Leute so nichts Freudiges mehr. Kein Ziel. Nichts, wofür es sich eigentlich lohnt. Gesammelte Enttäuschungen vielleicht. Schuld und Ausweglosigkei-ten, Erniedrigung und Demütigungen. Vielleicht ist alles so wie zu einer blossen Frage ohne Antwort, zu einem Gedankenstrich ohne Folgetext ge-worden. Da denke ich dankbar an all jene, die schon mich und andere nicht noch ganz gebrochen und ausgelöscht haben, sondern uns beim Aufrichten und beim Finden des inneren Lichtes liebevoll geholfen haben. Zur Zeit des babylonischen Exils hat der Prophet kaum auf einen Knecht Gottes hingewiesen, der dann nach über 500 Jahren einmal kommen wird. Es war damals sicher nicht eine Verheissung, die sich in Jesus Christus dann einmal erfüllen sollte. Da müssen wir unsere jüdischen Mitmenschen fragen, wie sie die Erfüllung der Prophetie verstehen. Doch als Christin darf ich, als Christen dürfen wir uns gar wohl fragen, wie weit Jesus Christus für uns der ist, der unser Leben immer wieder will, auch wenn wir noch so am Boden liegen. Für mich ist er so ein Gottesknecht in seiner radikalen Hingabe für die Schwachen, für die ganz unten. Ihm ging und geht es immer drum, dass die Menschen aus ihrer Not Erlösung, aus ihrem Dunkel zum Licht, aus ihrem Gefangen-sein zur Freiheit und aus ihrem Unrecht zur Gerechtigkeit finden. Dafür hat er sich bis zu seinem Tod und in seine Auferstehung als 3Hoffnungszeichen auch für uns eingesetzt. Ich glaube ihm, dass er es für Sie, für alle Menschen bis heute weiter tut. Ich glaube, dass er nicht müde wird bis alle zum Aufgerichtet-sein und zum Licht des wirklich Glücklich-seins gefunden haben.So höre ich gerne mit Ihnen meinen biblischen Lieblingssatz im Zusam-menhang mit dem ganzen Lied vom Gottesknecht:Seht, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Ge-fallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Völkern das Recht. Er schreit nicht und lärmt nicht und lässt seine Stimme nicht auf der Strasse erschallen.Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus; ja, er bringt wirklich das Recht. Er wird nicht müde und bricht nicht zusammen, bis er auf der Erde das Recht begründet hat. Auf sein Gesetz warten die Inseln.So spricht Gott, der den Himmel erschaffen und ausgespannt hat, der die Erde gemacht hat und alles, was auf ihr wächst, der den Menschen auf der Erde den Atem verleiht und allen, die auf ihr leben, den Geist: Ich, der Herr, habe dich aus Gerechtigkeit geru-fen, ich fasse dich an der Hand.Ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, der Bund für mein Volk und das Licht für die Völker zu sein: blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft zu befreien. Ich bin Jahwe, das ist mein Na-me; ich überlasse die Ehre, die mir gebührt, keinem andern, meinen Ruhm nicht den Götzen. Seht das Frühere ist eingetroffen, Neues kündige ich an. Noch ehe es zum Vor-schein kommt, mache ich es euch bekannt.

  • Weihnachten, das ist eine Sache des Herzens.

    Weihnachten, das ist eine Sache des Herzens.

    Predigt zum Gottesdienst mit Krippenspiel in Neckarhausen

    Gott tut große Dinge.
    Die Großen werden klein und die,  nach denen keiner fragt, werden wichtig.
    Wer hungrig ist, wird satt. Die Welt steht Kopf, wenn Gott kommt. Er ist voller Liebe und Barmherzigkeit. 

    Krippenspiel 2021, Neckarhausen

    Die Geschichte von Maria und Josef und dem Kind in der Krippe – jedes Jahr berührt sie uns neu: unsere Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach allumfassender Liebe, nach einem Gott, der keine Angst macht, nach Licht in der Dunkelheit – wenigstens am Heiligen Abend.

    Im Krippenspiel und in den leuchtenden Augen der Kinder wird etwas spürbar davon, was die Propheten verheißen haben:

    Den Jubel über ein hilfloses Kind, das der Welt Rettung und Hilfe bringt, ein allumfassendes Friedensreich und einen gerechten Herrscher, der weise und barmherzig regiert.

    All das erfüllt sich in dem kleinen Kind. Es ist ganz arm und soll uns reich machen. Es kommt in die Dunkelheit und bringt Licht. In ihm dürfen auch wir wieder Kinder sein.

    Beim allerersten Weihnachten in Bethlehem. Da war was los. Überall Menschen in Mengen. Sprichwörtlich wie Ölsardinen in der Dose. Etwas, dass wir normalerweise in der Advents- und Weihnachtszeit auch kennen. Volle Kaufhäuser, volle Straßen, volle Konzerte, Kinos, Theater und meist an Heiligabend auch volle Kirchen.

    Dieses Jahr sollte es wieder so wie immer sein, leider ist wieder alles so anders.

    Weihnachten an vielen, vielen Orten, auch in Neckarhausen sieht dieses Jahr eher so aus:

    Jeder feiert Weihnachten im klein(st)en Kreis, fast so wie die heilige Familie beim ersten Weihnachts­fest.

    Das beliebte Lied „Stille Nacht“ wird dieses Jahr wieder zur Wirklichkeit!
    Eine Stille Zeit, wird es aber nur, wenn wir es auch innerlich zulassen.

    Vielleicht lässt es sich als Chance begreifen, weil wieder einmal alles ganz anders ist als sonst.
    Es könnte die Chance sein diesen Gott, dieses Kind in der Krippe, Jesus Christus besser kennen zulernen.

    Eine Möglichkeit wäre dazu vielleicht einfach mal (wieder) ein Evangelium ganz durchzulesen. Wer keine Bibel im Haus hat, findet sie im Internet oder als App. Mein Vorschlag wäre das Lukas­evange­lium, in dem auch in Kapitel zwei die uns so bekannte Weihnachtsgeschichte steht.

    Bei allem was dieses Jahr so anders ist, ändert sich eines doch nicht.
    Die Botschaft von Weihnachten ist und bleibt die gleiche:

    Weihnachten ist der Beginn von Gottes Rettungsaktion. Das Zeichen seiner unerschöpf­lichen Liebe zu uns.
    Zu dir und zu mir!

    Wir feiern, dass Gott in Jesus als Mensch geboren wurde. Geboren im Stall, denn Gott wollte uns Menschen ganz nahe sein. Ja, und das ist und bleibt etwas ganz Besonderes.

    Gott liebt uns so sehr und er will nicht, dass wir verloren gehen. Deshalb schickt er den einzigen Retter, der uns wirklich helfen kann – er schickt sich selbst! Doch von was errettet der „Retter?“, fragt sich sicher der ein oder andere.

    Gottes Retter macht uns frei von unserer Schuld und rettet damit vor dem ewigen Tod. Jesus Christus trägt am Kreuz die Strafe für unsere Schuld. Dann ist sie weg und wir können wieder Gemeinschaft mit Gott haben.

    Manche Menschen denken: „Gottes Sohn hier auf der Erde? – Ich dachte immer, Gott sei weit, weit weg – im Himmel irgendwo.“

    Doch Christus war hier, auf unserer Erde. Mit Haut und Haaren. Der Messias, der Retter, er lag in der Futterkrippe im Stall von Bethlehem. Anders als Maria und Josef, die Hirten und Sterndeuter, Hanna und Simeon können wir das Kind nicht auf den Arm nehmen. Aber wir können es in unseren Herzen tragen. Unser Herz kann seine Krippe sein.

    Weihnachten, das ist eine Sache des Herzens.

    Gott kommt zu uns. Jedes Jahr. Jeden Monat. Jeden Tag.
    Zu Zeiten der Freude und auch mitten hinein ins Leid.
    Nichts und niemand kann ihn und seine Liebe aufhalten.

    Gottes Kommen hängt nicht an Gottesdiensten in der Kirche.
    Gottes Kommen hängt nicht am großen Feiern mit Familien und Freunden.
    Gottes Kommen hängt an offenen und auf ihn wartende Herzen.

    Ist Ihr, ist dein Herz bereit?

    Ich wünsche Ihnen und auch mir den Mut und die Bereitschaft diesem Kind in der Krippe, Jesus Christus, ja Gott selbst (neu) zu begegnen!

    Ich schließe mit dem Refrain eines bekannten Weihnachtsliedes:

    In der Nacht von Bethlehem,
    da ist ein Kind geboren,
    Gottes Liebe kam zu uns,
    wir sind nicht mehr verloren:
    Jesus, Heiland der Welt!
    Jesus, Heiland der Welt.

    Amen