Sind Steine nicht stumm?
Predigt auf den Friedhöfen Altenriet und Schlaitdorf am Ostermorgen 2023
Doch, aber je nach dem, wo sie liegen, wo man sie findet, in welchen Redewendungen sie vorkommen, da sprechen sie mit uns.
Da erahnen wir etwas von den Geschichten, die hinter ihnen stecken. Von denen sie ohne Worte erzählen.
Steine begleiten unser Leben
Wir sagen:
Dieser Mensch hat ein Herz aus Stein.
Da legt einer einem anderen Steine in den Weg.
Das ist zum Steinerweichen.
Da ist einer vor Schmerz wie versteinert.
Das ist wie ein Tropfen auf den heißen Stein.
Da fällt einem ein Stein vom Herze.
Nicht nur im übertragenen Sinn, auch ganz real begleiten Steine unseren Weg- mit einer Botschaft an uns.
Da sind die großen Steine, die Felsen, in denen wir gern wandern.
Viele haben Zuhause schöne Steine, die sie aus dem Urlaub mitgebracht haben. Erinnerungssteine.
Und es gibt Grabsteine.
Auch diese sind Erinnerungssteine.
Sie erzählen von denen, die dort im Grab liegen.
Auf den Steinen stehen ihre Namen, ihr Geburts- und Sterbedatum.
Vielleicht ist auch ein Symbol darauf zu sehen: Eine Sonne, eine Weintraube, ein Kreuz.
Auch hier auf unserem Friedhof sind solche zu sehen.
In Israel wurden die Toten einst in Höhlen im Felsen bestattet.
Ein solches Felsengrab wurde für Jesus zur letzten Ruhestätte.
Der Höhleneingang wurde verschlossen, damit kein Unbefugter in die Höhle hineingehen konnte.
Oft wurde dabei ein riesiger, zurechtgeschlagener Stein auf einer besonderen Konstruktion vor den Eingang gerollt.
Das Grab Jesu wurde verschlossen, nachdem er freitags gestorben war.
Als dann der Sabbat, unser Samstag, vorüber war, machten sich drei Frauen auf den Weg zur 3 Grabhöhle.
Und was dann geschah, das hören wir jetzt aus Markus 16, 1-7.
1 Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. 2 Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. 3 Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? 4 Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß. 5 Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. 6 Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. 7 Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.
Luther Bibel 2017 Markus 16, 1-7
Drei Frauen haben sich auf den Weg gemacht.
Sie wollen zum Grab Jesu, das mit einem Stein verschlossen ist.
In ihrer Vorstellung ist der Stein nicht nur groß, sondern riesig.
Mächtig, nicht allein zu bewältigen.
Sie werden sicher zu schwach sein, um ihn selbst beiseitezuschieben.
Ich würde die drei Frauen jetzt gerne fragen:
„Habt ihr nicht früher an diesen Stein gedacht?
Ihr hättet doch einige starke Männer mitnehmen können.
Wolltet ihr das nicht?
Oder habt ihr keinen gefunden, der diesen Weg mit euch auf sich nehmen wollte?
Ja, warum seid ihr dann überhaupt losgegangen?
Wir werden keine Antwort auf diese Fragen bekommen.
Aber vielleicht war in den Frauen so ein unerklärbarer Funke an Hoffnung.
Fast erloschen, aber doch noch am Glimmen.
Ein Funke, der sie beflügelt hat.
Ein Urvertrauen gegen allen Augenschein.
Ein Vertrauen, dessen Wurzel in den Erfahrungen, die sie mit Jesus gemacht haben, seinen Ursprung hat.
Und dann stehen die drei Frauen plötzlich vor dem Grab.
Und denken vielleicht immer noch an den Felsbrocken, der viel zu groß ist und zu schwer, um ihn jemals bewältigen zu können.
Sie heben den Kopf- und sehen dem vermeintlichen Problem ins Auge.
Und bemerken, dass es gar nicht existiert.
Einen Moment sind sie wie erstarrt.
Und dann ist ihnen wohl buchstäblich „ein Stein vom Herzen gefallen.“
Sie erleben hautnah, dass Christus auferstanden ist.
Wünschen wir uns nicht auch diese Erfahrung?
Ein Stein fällt von unserem Herzen, von unserer Seele.
Wir können aufstehen, weil uns eine schwere Last abgenommen ist.
Wir sind dazu eingeladen.
Immer wieder, und zu Ostern ganz besonders.
Gerade auch hier auf dem Friedhof mitten zwischen den Steinen, die die Gräber noch verschließen.
Wir sind eingeladen, aufzustehen aus unserer Müdigkeit und Hoffnungslosigkeit.
Weil Jesus auferstanden ist, ist der Stein ins Rollen gekommen, der Weg freigemacht.
Der Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft.
Lassen wir uns anstecken von Maria und Maria und Salome, den drei Frauen, die losgingen im Dunkeln, bevor der Weg deutlich zu erkennen war.
Die weitergingen, obwohl ihr Ziel unerreichbar, ihr Problem unlösbar schien.
Lassen wir uns anstecken von den Frauen, die, wie auch wir so oft, fast schon vergessen hatten, dass Gott noch ganz andere Möglichkeiten hat als wir uns vorstellen können.
Und die trotzdem, vielleicht auch nur mit einem winzigen Funken Vertrauen am Ostermorgen erfahren durften, dass Jesus lebt.
Dass das Leben stärker ist als der Tod.
Früher, so habe ich gelesen, wurde der Funke zum Entzünden des Osterfeuers aus einem Stein geschlagen.
Ein Funke, der auch uns und unsere Umgebung wieder entzünden kann, so dass wir neu und wieder mit Begeisterung für die Sache Jesu eintreten.
Und so vielleicht mithelfen können, dass bei dem einen oder anderen ein Stein vom Herzen fällt.
Und so wollen wir nun das Licht der Osterkerze entzünden.
Wir entzünden es für alle, die einen steinigen Weg gehen müssen.
Für alle, die schweren Herzens in die kommende Zeit hineingehen müssen.
Wir entzünden das Osterlicht für uns alle.
In der Freude darüber, dass Jesus auferstanden ist.
Dass Jesus lebt und für uns da ist.
Für uns alle da ist.
- Die Macht des Bösen
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