Neues Leben – Predigt zu Kolosser 2, 12-15
I. Der ungläubige Thomas
Die Geschichte aus der Schriftlesung hat mich immer schon angesprochen.
Weil ich Thomas heiße.
Und weil ich oft auf diese Geschichte angesprochen werde: Bist Du auch so ein ungläubiger Thomas?
Und ich muss gestehen:
So weit weg ist der Jünger Thomas nicht vom Prädikanten Thomas entfernt.
Erst wenn ich meine Finger in seine Wunden legen kann, dann kann ich auch glauben – wer möchte keinen Gottesbeweis.
Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben – auch so eine Bibelstelle, die wie für mich gemacht ist.
Wie kann ich an etwas glauben, das ich nicht gesehen habe?
Wie kann ich Gewissheit haben, dass ich von Gott angenommen bin? – So wie ich bin? Unfertig, zerrissen und nie ganz frei schon Schuld.
12 Gott hat euch als seine Heiligen erwählt, denen er seine Liebe schenkt. Darum legt nun das neue Gewand an. Es besteht aus herzlichem Erbarmen, Güte, Demut, Freundlichkeit und Geduld.
Aus der Basisbibel
13Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorwirft. Wie der Herr euch vergeben hat, so sollt auch ihr vergeben!
14Vor allem aber bekleidet euch mit der Liebe. Sie ist das Band, das euch zu vollkommener Einheit zusammenschließt.
15Und der Friede, den Christus schenkt, lenke eure Herzen. Dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes. Und dafür sollt ihr dankbar sein!
II. Totsein mitten im Leben
“Ihr wart tot aufgrund eurer Verfehlungen”
Wir Menschen sind grundsätzlich in Schuld verstrickt. Darum sind wir dem Tod im Leben hilflos ausgeliefert.
Ziemlich krass.
Da möchte ich doch sofort widersprechen.
So eine Aussage ist doch viel zu allgemein.
Sind wir alle in Schuld verstricket Menschen?
Wir leben doch einigermaßen anständig, oder?
Wir haben doch alle die sprichwörtliche weiße Weste an!
Oder verdrängen wir etwas, wenn wir im Brustton der Überzeugung sagen, dass wir im Reinen sind?
Bei genauerem Hinsehen werden auf unserer weißen Weste doch einige Flecken sichtbar.
Da gibt es globale Flecken, für die wir selbst eigentlich gar nichts können.
So bringe der Krieg in der Ukraine Christen in ein Dilemma, sagte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, im Dlf.
Einerseits würden Waffen als Mittel für den Frieden abgelehnt. Andererseits müssten sich die Ukrainer mit Waffengewalt gegen diesen völkerrechtswidrigen Angriff verteidigen. „Im Krieg wird jeder schuldig“, so die Theologin.
Aber da sind vor allem die ganz persönlichen Flecken.
Wir wissen, wie sehr wir uns selbst und anderen das Leben schwer machen können.
Wir kennen unser ständiges Bemühen, das Leben selbst in die Hand nehmen zu wollen. Wie wenn wir allein über unser Leben entscheiden könnten.
Manche von uns haben in ihrem Leben etwas getan, was eine Freundschaft zerstört hat, eine Partnerschaft, eine Ehe.
Und das Bittere: Manches von dem, was wir getan haben, können wir nicht wieder gut machen.
Manches können wir uns selbst nicht vergeben!
Wenn wir so in uns hineinhorchen, spüren wir, dass unsere Art zu leben uns von Gott und den Mitmenschen trennt.
Ein Totsein nicht am Ende des Lebens.
Ein Totsein schon jetzt – mitten im Leben.
III. Können Tote zurück ins Leben kommen?
Gibt es einen Weg aus diesem Tod zurück ins Leben?
Natürlich, sagt unser Predigttext und beschreibt diesen Weg mit einem starken Bild:
Mit dem Bild eines Schuldscheins.
Ein Schuldschein in der Antike ist keine Quittung, die jemand ausstellt.
Einen Schuldschein schreibe ich mir selbst mit eigener Hand. Ich schreibe mir selbst zu, was ich getan und auf welche Schuld ich auf mich geladen habe. Dann gebe ich diesen Schein in fremde Hände.
Der andere hat mich dadurch in der Hand, bis ich meine Schuld abgetragen habe.
Das besondere am Schuldschein aus dem Kolosser Brief ist, dass dieser Schuldschein in die Hände Gottes gegeben wurde.
Und Gott verwendet meinen Schuldschein nicht gegen mich.
Er radiert das Geschriebene aus.
Er nagelt mich nicht auf das fest, was ich getan habe.
Der Schuldschein, der gegen mich gesprochen hätte, existiert nicht mehr.
Gott hat ihn zerrissen.
Ich bin frei. Ich kann neu anfangen.
Dieser Neuanfang, oder dieser Empfang eines neuen Lebens, ist allerdings an eine Bedingung geknüpft:
Ich muss an dem teilhaben, was mit Jesus geschehen ist.
Bevor Jesus auferstehen konnte, musste er sterben und begraben werden. Wer mit Jesus auferstehen will, muss zuvor mit ihm sterben und begraben werden.
Symbolisch geschieht das in der Taufe. „In der Taufe wurdet ihr mit ihm begraben. Mit ihm wurdet ihr auch auferweckt.“, steht im Predigttext.
Das wurde in der Taufe der frühen Christen deutlich.
Dreimal wurden sie ganz unter Wasser getaucht.
Das Untertauchen symbolisiert den Tod, das Auftauchen dagegen das neue Leben.
Und da die Taufe zugleich auch eine Reinigung ist, bleibt beim Untertauchen zurück, was von Gott trennt.
Beim Auftauchen ist der Mensch wie neu.
Ein neuer Mensch, der zu Gott gehört.
Martin Luther hat das in seiner kraftvollen Sprache so beschrieben:
„In der Taufe wird der alte Adam in uns ersäuft und stirbt mit allen Sünden und bösen Lüsten; und aufersteht ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe.“
IV. Gott will Neues mit mir anfangen
Die Taufe ist mehr als ein Aufnahmeritual in die Gemeinde der Christen.
Durch die Taufe wird ein Christ mit Christus verbunden – für immer!
Und noch mehr:
In der Taufe wird das alte Leben abgelegt. Da ist etwas zu Ende gegangen und endgültig vorbei.
Von der Taufe her leben heißt, dass wir nicht mehr über die Vergangenheit definiert werden.
Wie oft werden wir im Alltag auf unsere Vergangenheit reduziert.
Auf das, was wir getan oder gelassen haben.
Als getaufter Mensch kann ich immer sagen:
Ich bin für Gott kein hoffnungsloser Fall.
Er kennt mich.
Er rechnet mit mir.
Er wird nicht aufhören, in meinem Leben immer wieder Neues mit mir anzufangen.
Und – das ist wirklich toll.
Weil ich getauft bin, kann ich stets neu auf Gott zugehen.
Keine Krankheit, keine Katastrophe, kein Schuldigwerden kann meinen Weg zu Gott verstellen.
Darauf kann ich bauen.:
Egal, was passiert – Gott ist für mich da!
Egal, welche Entscheidung in meinem Leben nicht richtig waren – Das Leben geht weiter!
Aus jeder Erfahrung kann Neues entstehen. Jesus starb und ist auferweckt worden.
Und mit diesem Wissen können wir immer wieder neue Wege finden.
Im Vertrauen auf Gott.
Das hat er uns in der Taufe versprochen.
Gott ist da!
Amen
- Predigt Unterensingen – 08.05.2022
- Gott sehen Predigt zu 2. Mose 33, 18-23