Meine eigene kleine Hölle – Predigt zu Jesaja 38,10-20
Meine eigene kleine Hölle
Jeder trägt seine eigene kleine Hölle mit sich herum.
Jeder trägt sie mit sich.
In sich.
Hiskia, der König von Juda, hatte auch seine Hölle.
In seinen besten Jahren befällt ihn eine heimtückische Krankheit.
Er weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat.
Er ruft: „In der Mitte meines Lebens muss ich dahinfahren, zu des Totenreichs Pforten bin ich befohlen für den Rest meiner Jahre.“
Jeder trägt seine eigene kleine Hölle mit sich herum.
Nicht immer ist es eine schwere Krankheit.
Vielleicht ist es der Streit in der Familie, der mich kaputt macht. Es tut weh, wenn ein Kind nichts mehr von einem willen will.
Oder es ist der Lebenstraum, der nicht wahr werden kann.
Oder eine Beziehung, die nicht gesund ist. Die nur noch quält.
Eine Lebenssituation, die völlig unbefriedigend ist.
Jeder trägt seine eigene kleine Hölle mit sich herum.
Mancher von uns kann das offen zeigen. Spricht es aus, lässt den Tränen ihren Lauf.
Andere können das nicht. Innen drin ist so viel Leere.
Oder sie wollen es nicht. Lieber auf stark und unantastbar machen.
Aber jeder trägt sie mit sich herum.
Die Hölle
Hölle, im Hebräischen Grundtext bedeutet es Totenreich.
„[…] zu des Totenreichs Pforten bin ich befohlen“, schreit König Hiskia.
In der alten Vorstellung der Hebräer war das Totenreich ein dunkler unwirklicher Schattenort, in dem die Toten vor sich hindämmern.
Ein Unort.
Ein Ort, der gottverlassener nicht sein kann.
„Denn die Toten loben dich nicht, und der Tod rühmt dich nicht, und die in die Grube fahren, warten nicht auf deine Treue“, heißt es hier in der Bibel (Jes 38,18).
Nach dieser Vorstellung ist das Totenreich, der Ort der Abwesenheit Gottes.
Denn der Gott Israels ist ein lebendiger Gott.
Und die Toten sind von ihm entfernt.
Und genau das ist doch die kleine Hölle, das kleine Totenreich, das wir in uns tragen.
Wenn das Leben an uns vorbeizieht.
Wenn alles sinnlos ist.
Wenn wir fern vom Leben, fern von Gott sind.
Der Gott des Lebens
Bei König Hiskia schlägt die Stimmung plötzlich um.
Er bekommt von Gott noch 15 Jahre geschenkt.
Plötzlich spricht er nicht mehr von seiner Hölle, sondern ruf in die Welt hinaus: „Er hat’s getan!“ – „Gott hat es getan!“.
Da ist plötzlich etwas anders geworden.
Da ist das Leben zurück gekehrt.
Und Hiskia fühlt sich so lebendig wie noch nie.
Seine Probleme haben sich nicht in Luft aufgelöst.
Seine kleine Hölle ist immer noch da.
Aber er hält am Gott des Lebens fest.
Und er merkt:
Es ist da in meiner kleine eigenen Hölle.
Er kommt mit seiner ganzen Lebendigkeit in mein Leben.
Nicht die Genesung bringt die entscheidende Veränderung. Es ist nicht so, dass Hiskia von heute auf morgen gesund ist. Sondern Hiskia erfährt den Gott des Lebens.
An diesem Gott des Lebens hält Hiskia fest – komme, was da wolle.
Und genau dadurch kippt die Stimmung.
Veränderung passiert nicht, wenn sich meine kleine Hölle, mein Problem, in Luft auflöst.
Die Veränderung geschieht, wenn ich im festen Vertrauen auf Gott dem Leben begegne.
Wenn ich an dem festhalte, der das Leben ist und sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben.“ (Joh 11,25)
Dann erfahre ich den Gott, der uns am Ostermorgen seine ganze Lebendigkeit beweist. Dessen Lebendigkeit auch keinen Halt vor den Pforten des Todesreiches macht.
Der uns durch die Taufe versprochen hat, dass er uns annimmt ohne Vorbedingung, ohne Vorleistung – einfach so aus Gnade.
Dann kann ich wirklich leben.
Trotz meiner eigenen Hölle.
Dann kann ich mich fest daran klammern.
Ganz egal, was kommt.
Ganz egal, wie sehr mich dieses Leben und diese Welt kaputt machen möchte.
Dieser Gott des Lebens, der auferstandene Christus trägt mich.
Lässt mich dem Abgrund standhalten.
Und ermöglicht es mir meine Hölle zu verlassen.
Er ruft uns zu: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben.“ (Joh 11,25)
Amen
- Antikes Fundraising – Predigt zu 2. Korinther 9, 6–15
- Ein Rätsel – Predigt zu Prediger 12, 1-8