Kategorie: Sprüche

  • Weisheit: Die Kraft, die durch alles geht

    Weisheit: Die Kraft, die durch alles geht


    Predigt über Sprüche 8,22–36 zum Sonntag Jubilate und Muttertag am11.05.2025 in der evangelischen Kirche Altdorf und in der St. Bernhardskirche in Neckarhausen

    Ein Funke in allem

    Stellen Sie sich vor, da war etwas – noch bevor irgendetwas war.
    Bevor es Licht gab.
    Bevor es Sterne gab.
    Bevor es die Erde gab.
    Bevor Berge und Täler.
    Bevor es Pflanzen und Tiere gab.
    Bevor irgendetwas sich drehte oder wuchs oder klang.
    Da war sie schon da: Die Weisheit.

    Nicht als abstrakte Idee.
    Sondern lebendig. Fröhlich.
    Sie sagt im Buch der Sprüche:

    „Ich war seine Lust täglich und spielte vor ihm allezeit; ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern.“

    Ich liebe dieses Bild.
    Weisheit ist nicht trocken, nicht verkopft.
    Sie spielt, ist kreativ, tanzt und ist neugierig.


    Weisheit ist Beziehung

    Das ist ein anderer Zugang zu Gott.
    Weisheit in der Bibel ist keine Theorie.
    Weisheit ist Beziehungswissen.

    Sie spürt, was trägt – zwischen uns Menschen,
    in unserer Gemeinschaft, im Glauben.

    „Wer mich findet, findet das Leben.“ (Spr 8,35)

    Hier steht nicht wer mich gefunden hat.
    Also nicht: Wer alles richtig macht.
    Sondern:
    Wer sich an der Weisheit orientiert, lebt tiefer, wacher, echter.

    Nicht: „Glaube dies und jenes.“
    Sondern: Lerne mit den Augen der Weisheit zu sehen.

    Was bringt Leben?
    Was zerstört?
    Was verbindet?
    Was trennt?
    Was trägt?

    Die Bibel sagt:

    „Wer mich findet, findet das Leben.“
    Weisheit ist nicht Wissen.
    Weisheit ist die Kunst, gut zu leben – in Beziehung mit Gott, mit anderen, mit sich selbst.


    Hildegard von Bingen – die, die hörte

    Im 12. Jahrhundert – Europa steckt noch tief im Mittelalter –
    hat eine Frau plötzlich wieder diese Stimme gehört:
    Hildegard von Bingen.
    Mystikerin, Heilkundige, Komponistin, Theologin.
    Und sie schreibt:

    „O Kraft der Weisheit, du hast drei Flügel: einer fliegt über die Erde, einer schwebt über dem Himmel, einer durchdringt alles mit deinem Leben.“

    Weisheit – nicht statisch
    Weisheit – als Bewegung.
    Als Schwingen Gottes in dieser Welt.
    Die Weisheit verbindet Himmel und Erde.
    Und die Weisheit fiegt mitten durch unser Leben.


    Schon die frühen Christen spürten: Das ist der Heilige Geist

    Schon in den ältesten Schriften der Bibel ist diese Weisheit mehr als Klugheit.
    Im Buch der Weisheit heißt es:

    „Sie ist ein Hauch der Kraft Gottes, ein reiner Abglanz der Herrlichkeit des Allherrschers.“ (Weish 7,25f)

    Viele frühchristliche Theologen spürten darin die Nähe zum Heiligen Geist.
    Thomas von Aquin – ein großer Theologe des Mittelalters, der versuchte, Glauben und Denken zu verbinden – Der fragte:
    Wie wirkt Gott in dieser Welt?
    Eben nicht nur im Himmel, sondern in unserem Herzen,
    in der Schöpfung,
    im Denken?
    Für ihn ist die Weisheit ein göttliches Prinzip, das durch alles geht – ein Spiegel der göttlichen Ordnung.
    Und immer wieder deutet er: Diese Weisheit, die alles trägt, ist der Heilige Geist – Gottes lebendige Gegenwart eben in dieser Welt.

    Und das hat mit uns zu tun..
    Wenn wir fragen?

    Was trägt?
    Was gibt Orientierung?_
    Was hilft mir?
    Zwischen all den Stimmen, Meinungen, Reizen klar zu sehen?_

    Die biblische Antwort lautet:
    Es ist die Weisheit Gottes.
    Sie ist nicht laut.
    Sie ist nicht aufdringlich.

    Aber sie ist da!
    Wie ein innerer Kompass.
    Wie ein Atemzug Gottes mitten im Chaos.
    Wie eine Kraft, die uns leben lässt.
    Aufrecht, verbunden, klar.


    Jubilate heißt: Die Schöpfung lebt

    Jubilate – das ist der Sonntag des Aufatmens.
    Es ist nicht alles perfekt.
    Nein, da ist unsere Welt noch weit entfernt, um perfekt zu sein.
    Sondern Jubilate,
    weil Gott immer noch schafft.
    Weil seine Weisheit immer noch weht.
    Weil Leben neu anfangen kann – heute.
    In mir. In dir. In uns.

    In Christus ist diese Weisheit lebendig geworden.

    Nicht als Theorie, sondern als Berührung.
    Als Stimme.
    Als Brot.
    Als Trost.
    Als einer, der zuhört
    Als Auferstehung.
    Als einer der Leben schenkt – über den Tod hinaus.


    Und heute? Muttertag? Auch da wirkt Weisheit!

    Denn ganz ehrlich:
    Wer hat uns oft zuerst Weisheit beigebracht?
    Nicht mit großen Worten.
    Sondern mit kleinen Gesten.
    Mit einem Blick.
    Mit einem Nein, das uns beschützt hat.
    Oder einem Ja, das uns Flügel verliehen hat.

    Weisheit ist nicht laut.
    Aber sie erkennt, was zählt.
    An diesem
    Darum sage ich an diesem Tag – Muttertag-
    „Danke“
    Nicht nur für das, was getan wurde.
    Sondern für das, was getragen wurde.
    An Liebe. An Geduld. An Lebensweisheit.


    Die Einladung der Weisheit

    Die Weisheit sagt:

    „Hört auf mich – dann werdet ihr leben.“

    Ich glaube:
    Das ist kein Befehl.
    Das ist eine Einladung.

    Es ist eine Einladung zum Leben.
    Zur Tiefe.
    Zur Verbundenheit.

    Es ist eine Einladung zu einem Leben, das mit Gott in Verbindung steht.
    Das Freude kennt.
    Und Tiefe.
    Und Spiel.
    Und Sinn.

    Vielleicht hören wir heute die Weisheit flüstern –
    in einer Melodie,
    in einem Gedanken,
    in einem dankbaren Rückblick,
    in einem mutigen Schritt nach vorn.


    Amen.


    Lied nach der Predigt: Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut   EG 635