Kategorie: Predigt

  • Die schlechten Hirten und der rechte Hirte

    Die schlechten Hirten und der rechte Hirte

    Predigt zu Hesekiel 34, 1-2.10-16.32

    1 Und des HERRN Wort geschah zu mir:
    2 Du Menschenkind, weissage gegen die Hirten Israels, weissage und sprich zu ihnen: So spricht Gott der HERR: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden?

    10 So spricht Gott der HERR: Siehe, ich will an die Hirten und will meine Herde von ihren Händen fordern; ich will ein Ende damit machen, dass sie Hirten sind, und sie sollen sich nicht mehr selbst weiden. Ich will meine Schafe erretten aus ihrem Rachen, dass sie sie nicht mehr fressen sollen.
    11 Denn so spricht Gott der HERR: Siehe, ich will mich meiner Herde selbst annehmen und sie suchen.
    12 Wie ein Hirte seine Schafe sucht, wenn sie von seiner Herde verirrt sind, so will ich meine Schafe suchen und will sie erretten von allen Orten, wohin sie zerstreut waren zur Zeit, als es trüb und finster war.
    13 Ich will sie aus den Völkern herausführen und aus den Ländern sammeln und will sie in ihr Land bringen und will sie weiden auf den Bergen Israels, in den Tälern und wo immer sie wohnen im Lande.
    14 Ich will sie auf die beste Weide führen, und auf den hohen Bergen in Israel sollen ihre Auen sein; da werden sie auf guten Auen lagern und fette Weide haben auf den Bergen Israels.
    15 Ich selbst will meine Schafe weiden, und ich will sie lagern lassen, spricht Gott der HERR.
    16 Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist.

    31 Ja, ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide, und ich will euer Gott sein, spricht Gott der HERR.

    Lutherbibel 2017; Hesekiel 34, 1-2.10-16.32

    Liebe Gemeinde,
    was ich heute hier lese, ist eine Abrechnung. Im wahren und brutalsten Sinn des Wortes. Gott rechnet mit den Hirten des Volkes Israel ab! Die Priester, die politisch und gesellschaftlich maßgeblichen Personen bekommen ihr eigenes Versagen vorgehalten:
    Ihr seid Hirten, die nicht ihre Herde sondern sich selbst geweidet haben!
    Euch geht es nicht um die Schafe, die man euch anvertraut hat, sondern um euer eigenes Wohlergehen.
    Statt die Schafe mit allem Einsatz gegen Wölfe zu verteidigen, fresst ihr sie selber auf.
    Ihr seid Versager in euren Job!
    Nein, eigentlich seid ihr noch viel schlimmer – ihr seid nicht nur Nieten, die ihre Aufgabe nicht hinbekommen – ihr seid Verbrecher, die das Vertrauen missbrauchen, das man in euch gesteckt hat.

    Puh … da muss ich mich beim predigen glatt zusammenreißen.
    Da könnte ich so richtig in Fahrt kommen. Bei dem was Hesekiel vor zweieinhalbtausend Jahren geschrieben hat fallen mir sofort bestimmten Personengruppen unserer Gesellschaft ein.
    Unfähige oder korrupte Politiker.
    Wirtschaftsbosse, die Unternehmen an die Wand fahren, und denen das alles egal ist, Hauptsache sie haben ihre Millionengage schon mal vor dem Zugriff der Gläubiger und des Staats in Sicherheit gebracht.
    Internatsleiter, die genau wissen, dass einige Lehrer die ihnen anvertrauten  Schüler misshandeln und missbrauchen, aber nichts dagegen tun, um dem Ansehen des Hauses nicht zu schaden.

    Das sind Hirten, die ihren Namen nicht verdienen haben. Und darum finde ich die Ankündigung Gottes ganz richtig.

    So spricht Gott der HERR: Siehe, ich will an die Hirten und will meine Herde von ihren Händen fordern; ich will ein Ende damit machen, dass sie Hirten sind, und sie sollen sich nicht mehr selbst weiden. Ich will meine Schafe erretten aus ihrem Rachen

    Lutherbibel 2017, Hesekiel 34,10

    Endlich wird dem Elend ein Ende gemacht …
    … aber da merke ich, dass ich gerade den größten Fehler mache, den ich als Bibel-Leser und Bibel-Hörer machen kann:
    Dass ich denke: „Ja, recht hat der Hesekiel. Da sollte der Herr XY schon gut hinhören; da wird kann er sich eine ordentliche Scheibe abschneiden“.
    Doch dabei übersehe ich, das die Worte auch mir selber gelten könnten.

    Mich triffts ja auch!

    Denn Hirten sind war ja selbst ganz oft.
    Auch uns sind Menschen, ist eine Herde anvertraut.
    Wer Kinder hat, ist in diesem Sinne auch Hirte.  Uns wurden Kinder anvertraut – und zwar nicht für das eigene Ego, sondern um für sie da zu sein. Mit unserer ganzen Existenz und bis zum letzten Blutstropfen.
    Manchmal bin ich auch Hirte für meine guten Freunde, weil sie sich auf mich verlassen und an mir orientieren.
    Wer Angehörige pflegt, wer für einem dementen oder bettlägerigen Menschen da ist, der spürt die Verantwortung, die er hat.
    Wenn uns Tieren anvertraut sind. Sie sind uns ausgeliefert, da sind wir Hirten im ursprünglichen Sinn – auch wenn die Herdentiere eher auf Bello, Minka oder Hoppel hören.
    Nicht zuletzt haben wir als Vereinsvorstand, als Mannschafts-Chefin, als Kirchenvorsteherin oder Feuerwehr-Gruppenführer genau solche Verantwortung als Hirte.

    Werde ich da immer dem gerecht, was von mir erwartet wird?
    Wie oft spüre ich da, wie ich überfordert bin?
    Oder bin ich ein schlechter Hirte, weil mich meine Aufgabe als Hirte an meine Grenzen bringt. Weil ich spüre, dass ich auch einmal Grenzen setzen und auf mich selber Rücksicht nehmen muss.

    Hirte – das ist ein Knochenjob! – Nicht nur bei den blökenden Schafen.
    Hirte sein – Verantwortung für Andere übernehmen – wer da ein bisschen selbstkritisch ist, spürt, wie sehr die Vorwürfe und die Kritik unseres Predigttextes an einem nagen können – auch wenn man doch eigentlich zu denen gehört, die es gut meinen und wirklich das beste wollen.

    „Gott – übernimm!“

    Zurück zu der Abrechnung des Propheten mit den unfähigen und böswilligen Hirten des Volkes Israel.
    Da kündigt Gott an: Ab jetzt kümmere ich mich selbst um mein Volk:

     Ich selbst will meine Schafe weiden, und ich will sie lagern lassen, spricht Gott der HERR.
    Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist.

    Lutherbibel 2017, Hesekiel 34,15.16

    Das klingt richtig gut in meinen Ohren. Gott übernimmt die Hirtenrolle. Die unfähigen Hirten verlieren ihren Job.
    Die gierigen Manager fliegen raus, allen Strippenziehern und Amigos wird das Handwerk gelegt – und Gott greift durch.
    Die Welt bekommt eine neue Qualität, die Ausgebeuteten können wieder aufatmen, die Unterdrückten können sich wieder aufrichten.
    Auf dem ausgetrockneten Boden der Gesellschaft sprießen wieder grüne Halme der Hoffnung.

    Eine wunderbare Vision, die der Prophet Hesekiel vor unsere Augen malt …..
    oder besser gesagt, die ich für mich als Bild entwerfe.

    Was ist daraus geworden?

    Wie wurde diese wunderbare Abkündigung Wirklichkeit?

    Was damals kam, war nicht ein Gott als Super-Hirte, der alle Wünsche erfüllt, sondern vielmehr ein neuer König mit Namen Kyros, ein heidnischer aus dem Ausland noch dazu.
    Durch ihn hat sich die Situation der Israeliten verändert. Die schlimmen Zeiten, in denen Hesekiel und seine Zeitgenossen lebten, wandelten sich.
    Es begann eine neue Ära, ein Wiederaufbau des eigenen Landes, der sich über Jahrzehnte hinzog.
    Es gab keinen Gott als sichtbaren Hirten, aber eine Veränderung des Miteinanders, neue Ziele, neue Prioritäten. Und neue Personen, die bereit waren, Verantwortung zu übernehmen.

    Jesus – auch der gute Hirte

    Ob Hesekiel geahnt hat, dass Gott in noch fernerer Zukunft Jesus als den Guten Hirten schicken wird?
    Derjenige, der in ganz neuer Weise bereit war, für das Volk Verantwortung zu übernehmen.
    Der nicht an sich, seinen Gewinn oder sein Ansehen dachte, sondern bereit war, zum Wohl seiner Herde bis zum Äußersten zu gehen?
    Zu sterben, um den anderen das Leben zu schenken.
    „Ich bin der Gute Hirte!“ hat Jesus gesagt.
    „Der Gute“ – nicht irgendeiner – mit ihm kann sich keiner messen.
    In ihm hat Gott selber die Rolle des Hirten übernommen. Das ist einmalig.
    Der Gute Hirte – Ich selbst will meine Schafe weiden – sagt Gott.

    Ein guter Hirte – das krieg ich vielleicht auch hin

    In der Schriftlesung haben wir gehört, wie Jesus sagte: „Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.“
    Ein guter Hirte …. naja, da gibt es eben viele und Jesus einer davon.
    Sollte da nicht eher „Ich bin DER Gute Hirte“ stehen, das ist doch was ganz anderes.


    Als ich diese Predigt geschrieben habe, hat mir diese Formulierung weitergeholfen:
    Weil sie die Alleinstellung von Jesus als guten Hirten auflöst.
    Es ist eben nicht nur allein DER gute Hirte, sondern auch das Vorbild für die vielen von uns, die auch ein guter Hirte / eine gute Hirtin sein wollen.

    Wir sind nicht die Helden – die alles hinbekommen, die absolut selbstlos und fehlerlos für Andere Verantwortung übernehmen können.
    Aber wir können diesem einen guten Hirten Jesus  nachfolgen – mit ihm als Vorbild.
    Ohne Scheu vor Verantwortung und ohne Scheu davor, Fehler zu machen, denn die werden passieren. Denn wir sind Menschen.
    Aber ohne Hirten geht es nicht. Wir brauchen Menschen, die Verantwortung übernehmen, und damit manchmal Handlanger Gottes sind, ohne es zu wissen.
    So, wie einst dieser König Kyros, kurz nach dem Propheten Hesekiel.
    Der hatte keinen Schimmer davon, dass Gott durch ihn, seinem Volk Israel eine neue Zukunft geschenkt hat.

    Amen

  • Predigt zu Offenbarung 5, 6–14

    Predigt zu Offenbarung 5, 6–14

    I. Rückblick und Ausblick

    Vor einem Jahr gab es keine Gottesdienste zu Ostern. Wir waren mitten in der ersten Welle der Corona-Pandemie. In meiner Gemeinde gab es zur Gottesdienstzeit Orgelmusik. Es hat geläutet, die Kirchentüren standen offen. Wer wollte und sich trauten, der konnte kommen und von draußen zuhören. Ein paar wenige saßen verstreut und mit weitem Abstand in den Kirchenbänken. Als die Orgel “Christ ist erstanden” gespielt hat, hatten ein paar Menschen Tränen in den Augen. Am Schluss hat der Pfarrer von seinem Platz aus hinter seiner Maske laut das Vaterunser gebetet.

    Alles fühlte sich wie eine Verschwörung an.
    “Dürfen wir das?”, haben wir uns gefragt.
    “Was ist mit  unserer Verantwortung?”
    “Sollten wir lieber die Türen verschlossen lassen?”

    Im Nachhinein haben wir uns oft gefragt:
    Welche Maßnahmen waren richtig?
    Was war falsch?
    Was war Unsinn?
    Hätten wir uns lauter wehren müssen, als niemand die Alten und Sterbenden besuchen durfte?
    Oder war das richtig so, um niemanden zu gefährden?

    »Wir werden uns viel zu verzeihen haben, wenn dies alles vorbei ist« hat Jens Spahn gesagt, unser Gesundheitsminister.

    Jetzt, Ostern ein Jahr später? 
    Wer weiß, was richtig war und was falsch? 
    Ist die Gefahr schon überwunden? 
    Was können wir nun tun? 
    Kann das Leben anders werden nach dem, was wir gelernt haben? 
    Wie kann es werden? 
    Wie soll es werden?

    Fragen über Fragen. 
    Die ganze Geschichte ein Buch mit sieben Siegeln.
    Keiner kann es öffnen.
    Keiner darin lesen. 
    Stattdessen lesen wir Zeitungen, Analysen, Kommentare.
    Der eine schreibt dies, der andere das Gegenteil. 

    Was ist richtig, was ist falsch? 
    Was ist überhaupt wahr? 
    Schreibt nicht jeder nur das, was er für die Wahrheit hält? 

    Wie schön wäre das, wenn man zuverlässige Auskunft bekommen könnte. Und ein Urteil finden, das weiterhilft.

    II. Ein Buch mit sieben Siegeln

    Von einem Buch hat Johannes geträumt. 
    Johannes, ein prominenter Christ, als die Christen noch ganz wenige waren und verfolgt wurden. 
    Johannes wurde auf die Insel Patmos verbannt, um ihn und die Christen in seiner Heimatgemeinde einzuschüchtern. 

    Darum fragt sich Johannes:
    Was haben wir falsch gemacht?
    Wer ist Schuld, dass es so gekommen ist?
    Haben wir uns alle geirrt mit unseren Hoffnungen?

    Johannes hat schwere, wirre Träume.
    Wer hätte die nicht in so einer Situation? 

    Johannes aber ist sicher:
    Gott selbst will ihm mit diesen Träumen etwas sagen.
    Deshalb hat er sie aufgeschrieben.
    Für sich und für seine Mitchristen.

    In einem seiner Träume kommt ein Buch vor.
    Ein Buch, das Antworten enthält. 

    Offenbarung 5, 6 – 14

    Hier ist der Predigttext verlinkt: Offenbarung 5, 6–14

    Ein versiegeltes Buch. Das Buch mit den sieben Siegeln. 

    Alles, was passiert ist und was kommt, ist darin aufgeschrieben und Gott hält es in der Hand. 
    Was wohl darin steht?

    Ich hoffe, dass dort alles darin steht, was Menschen einander Gutes getan haben. 
    Jede Freundlichkeit. Jedes gute Wort. 
    Wenn ich jemandem geholfen habe. 
    Wenn ich etwas Gutes erreicht habe. 
    Als ich etwas gegeben habe, damit andere besser leben können. 
    Als ich mich eingesetzt habe für die, die selbst keine Stimme haben und die deshalb zu kurz kommen.

    Aber es wird sicher auch darin stehen, was zum Himmel schreit. 

    Meine Unfreundlichkeiten. 
    Als mir die Nerven durchgegangen sind. 
    Als ich lieber nichts gesagt habe obwohl es gut gewesen wäre ich hätte nicht geschwiegen.

    Aber auch:
    Die Kinder im Jemen, die unterernährt sind und hungern, weil die Großmächte ihre Kriege auf ihrem Rücken auskämpfen.
    Die Frauen und Mädchen und kleinen Jungen, die sich nicht wehren können gegen die Übergriffe von Männern, die meinen, dass ihnen alles gehört.
    Die Politiker, denen ihre Macht oder ihre Prinzipien wichtiger sind als die Menschen, für die sie Politik machen. 
    Firmen, denen der Profit über alles geht, die sogar nicht davor zurückschrecken mit Diktatoren und Warlords zusammenzuarbeiten.
    Die Menschen, die Schaden genommen haben in der Zeit der Pandemie, weil niemand da war, der ihnen geholfen hat. 

    Ich stelle mir vor, dass das alles in diesem Buch steht.

    Und wenn es geöffnet und vorgelesen wird – dann kommt die Wahrheit ans Licht. 

    Dann wird das Urteil gesprochen. 

    Es ist wichtig, dass ein Urteil gesprochen wird. 
    Keine Frage. 
    Erst wenn die Wahrheit offen liegt und ein Urteil gesprochen werden kann – erst dann können die Dinge abgeschlossen werden.
    Dann kann aufgeräumt und es besser gemacht werden. 
    Dann können wir auf bessere Zeiten hoffen. Dann kann die Geschichte neu anfangen.

    Johannes hat in schrecklichen Zeiten gelebt. 
    Die Christen wurden verfolgt, gefoltert, in der Arena den Löwen vorgeworfen. 
    Kein Wunder, dass er auf diesen Tag gewartet und von ihm geträumt hat. 
    Von dem Tag, an dem das Buch geöffnet und das Urteil gesprochen wird – der Tag, an dem alles neu anfängt und besser wird. 

    Aber wer kann das Buch öffnen? 
    Wer darin lesen?

    III. Das Lamm und die Rätsel der Welt

    Johannes träumt weiter.
    Ein Lamm, schreibt er für uns auf.
    Ein geschlachtetes Lamm. 
    Was für ein Lamm? 
    Wenn wir Abendmahl feiern, dann singen wir: »Christe, du Lamm Gottes, erbarm dich unser!« 

    Jesus Christus ist das Lamm. 
    Hingerichtet, wie ein Schlachtschaf, erst vor ein paar Tagen an Karfreitag haben wir uns daran erinnert.

    Jesus Christus wird das Buch öffnen. Dann wird sich alles klären.

    Ich glaube, dass wir uns dann vermutlich alle miteinander ein bisschen schämen müssen.
    Weil sich zeigen wird:
    Für Jesus Christus sind ganz andere Dinge wichtig, als wir gedacht haben. Sein Maßstab ist ein anderer.

    Er verurteilt nicht die, die Fehler gemacht haben. 
    Er beschämt nicht die Versager. 
    Er erbarmt sich unser. 
    Er will, dass es uns gut geht. 
    Er will, dass wir uns aufrichten können.
    Dass uns die Sorgen nicht niederdrücken.
    Dass wir frei werden und rauskommen aus dem Gefängnis, in das uns die Umstände gesperrt haben. 
    Oder wir selbst, weil wir dachten, es geht nur so, wie es schon immer war und wie wir es immer schon gemacht haben.

    Wenn uns Jesus Christus anschaut und sieht, was wir getan haben, dann wird er nicht sagen: 
    »Selber schuld. Hättest du auf mich gehört.« 

    Denn er hat ein Herz für die Menschen. 
    Was wir tun, was sie einander und uns selbst antun – das geht ihm zu Herzen.

    An Jesus können wir das sehen:
    Er trägt es und erträgt es, was Menschen einander antun. Was sie ihm angetan haben.
    Er zahlt es nicht heim.
    Er straft nicht.
    Er handelt nicht: Wie du mir, so ich dir.

    Ein Lamm erträgt, was man ihm antut.
    Jesus hat ertragen, was Menschen ihm angetan haben und hat es fortgetragen.
    »Vater, vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun«.

    Deshalb glaube ich, dass er auch mir vergeben wird. 
    Dass ich aufrecht gehend weiterleben kann, wenn das Buch aufgemacht wird.

    Obwohl ich weiß, wie sehr ich anderen weh getan habe auf der Suche nach meinem persönlichen Glück. 
    Oder nach dem, was ich dafür halte. 

    Ich muss nicht meinen, ich hätte versagt, weil ich es nicht besser wusste. 
    Nicht, weil ich schwächer war als andere. 
    Ich kann mir und anderen verzeihen. 

    Dann fängt das Leben neu an.

    IV. Das Buch der Bücher

    Wie ich das so sagen kann und woher ich das wissen will?

    Ich weiß das, weil es in einem anderen Buch erzählt wird. 
    In dem Buch, in dem die Gute Nachricht, die Geschichte von Jesus Christus aufgeschrieben ist.

    In diesem Buch steht, dass die aufstehen können, die sich gar nicht mehr rühren konnten, weil sie so vieles gedrückt hat. 

    Darin steht:
    Gott verurteilt die nicht, die Unrecht getan haben.
    Er will, dass sie es besser machen. 

    Darin steht:
    Am Ende wird nicht alles vernichtet.
    Am Ende werden alle an einem Tisch sitzen:
    Die, die schon immer da waren, und auch die von draußen, die sich nicht reingetraut haben oder denen man den Zugang versperrt hat.

    In diesem Buch lese ich, wie Menschen gut miteinander leben können.

    Darin steht: 
    Glücklich werden die, die Frieden stiften.
    Glücklich werden die, die mit anderen barmherzig sind.
    Glücklich werden die, die keine Hintergedanken haben bei dem, was sie tun.
    Glücklich werden auch die, die sich nach Gerechtigkeit sehnen. Die werden glücklich sein. Und sie werden ein Licht sein für alle, die noch im Dunkeln sitzen.

    V. Das neue Lied

    Heute feiern wir Ostern. 
    Wir feiern, und dieses Lamm steht im Mittelpunkt. 
    Jesus, wehrlos hingerichtet wie ein Lamm – und Gott hat ihn auferweckt. 

    Das Lamm ist nicht verloren und hat nicht verloren. 
    Gott gibt ihm Recht. 
    Gott schenkt ihm neues Leben. 
    Was die Menschen ihm angetan haben, das hat Gott überwunden. 
    Nicht mit gewaltigem Dreinschlagen.
    Sondern auf seinem Weg. Dem Weg des Erbarmens.

    Gott selber zeigt:
    So fängt das Leben neu an.
    Wenn Menschen auf Gewalt verzichten.
    Wo sie barmherzig umgehen mit den Fehlern der anderen – und auch mit den eigenen.
    Da kann das Leben neu anfangen.

    Darum lassen wir jetzt das Wehklagen über den Zustand der Welt und die Bosheit der Menschen. Wir fangen an zu singen.
    Ein neues Lied (EG 100):
    »Wir wollen alle fröhlich sein, in dieser österlichen Zeit, denn unser Heil hat Gott bereit.« 

    Amen.

  • Predigt über Jesaja 52, 13–15; 53, 1–10 an Karfreitag

    Predigt über Jesaja 52, 13–15; 53, 1–10 an Karfreitag

    Aber Jesus schrie abermals laut und verschied.

    Lutherbibel Matthäus 27,50

    Jesus stirbt.
    Unter Qualen scheidet er aus dem Leben.

    So haben wir es in der Schriftlesung (Mt 27, 31b-54) gehört.

    Trauer ist angesagt.

    Es ist Karfreitag

    Das Leben ist verstummt.

    Was soll man auch sagen beim Tod?
    Wenn Trauernde ans Grab treten, finden sie kaum Worte.
    Als Jesus starb, waren seine Vertraute erschüttert und sprachlos.
    Sie konnten nicht begreifen, was geschehen war. Noch konnten sie ausdrücken, was sie empfanden.
    Auch nicht gleich nach Ostern.

    So waren sie heilfroh, als sie sich an ein Lied erinnerten, das sie aus ihrer Sprachlosigkeit heraus holte.
    Ein Lied, überliefert im Buch Jesaja.
    Es gab wieder was sie fühlten.
    Es kleidete in Worte, was sie selbst nicht sagen konnten.
    Es war so nahe am Geschehen auf Golgatha, dass sie die Worte nachsprachen, wieder und wieder.
    Bis diese Worte eng mit der Passion Jesu verknüpft waren.

    Hören wir dieses Lied, unseren heutigen Predigttext, aus Jesaja 52 und 53:

    52,13 Siehe, meinem Knecht wird’s gelingen, er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein.
    14 Wie sich viele über ihn entsetzten – so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch und seine Gestalt nicht wie die der Menschenkinder –,
    15 so wird er viele Völker in Staunen versetzen, dass auch Könige ihren Mund vor ihm zuhalten. Denn was ihnen nie erzählt wurde, das werden sie nun sehen, und was sie nie gehört haben, nun erfahren.
    53,1 Aber wer glaubt dem, was uns verkündet wurde, und an wem ist der Arm des HERRN offenbart?
    2 Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte.
    3 Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.
    4 Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.
    5 Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.
    6 Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn.
    7 Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.
    8 Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen. Wen aber kümmert sein Geschick? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen, da er für die Missetat seines Volks geplagt war.
    9 Und man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Munde gewesen ist.
    10 Aber der HERR wollte ihn also zerschlagen mit Krankheit. Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und lange leben, und des HERRN Plan wird durch ihn gelingen.

    Lutherbibel Jesaja 52,13-53,10

    Wir haben es gehört, gelesen und gesungen.
    Vieles davon können wir auswendig.

    Und vieles verstehen wir nicht.

    Es ist ein Lied von einem Knecht Gottes aus dem zweiten Buch Jesaja.
    Ein Leichenlied.
    Ein Nachruf auf einen Toten.
    Es beschreibt, wer der Verstorbene war und was für ein Leben er hinter sich gebracht hat.
    Dabei kommt Seltsames zutage.
    Nicht Gutes wird berichtet, wie wir es gern hören in einer Traueransprache auf dem Friedhof.

    Übles wird genannt und beschrieben.
    Sein Äußeres war abstoßend.
    Er hatte ein entstelltes Gesicht, entstellt von Krankheit und Schmerzen.
    Die anderen blickten zur Seite, wenn sie ihn sahen.
    Sie gingen ihm aus dem Weg. Sie verachteten und verabscheuten ihn.
    Ihm konnte man alles anhängen.
    Er wurde gequält, geschlagen, durchbohrt, so lange, bis er tot war.
    Er wurde verscharrt, wie man Verbrecher und Hingerichtete im Morgengrauen unter die Erde bringt.

    Dies also teilt uns das Lied mit.
    Ein befremdlicher Bericht.
    Warum schweigt man nicht, wenn er so hässlich war?
    Warum lässt man ihn nicht ruhen, als er endlich im Grab verscharrt ist?

    „Halte den Augenblick aus!“, sagt das Lied vom Gottesknecht.
    „Bleibt nicht an der entstellten Oberfläche hängen.
    Wir haben uns alle getäuscht. Wir haben uns alle geirrt wie Schafe.“
    Er wurde verachtet, er wurde von den Menschen gemieden, er war ein Mann voller Wunden – gewiss, aber es geschah um unseretwillen.

    Nun entfaltet das Lied Zug um Zug, welche Bewandtnis es mit dem entstellten Knecht Gottes hat.

    Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.

    Luterbibel Jesaja 53,4

    Die es vernehmen, werden hellhörig.
    Hier ist der maßlose Schmerz in Worte gefasst.
    Hier bekommt das Leiden Bedeutung.
    Der Knecht Gottes wird zum Bruder im Leiden.
    Wir öffnen in diesen Tagen ein wenig die Tür zum Leiden, eine Tür, die meist sorgsam verschlossen ist.
    Der Rhythmus des Kirchenjahres bringt uns in Erinnerung, was wir nur zu gern verdrängen.
    Leiden – das hat in unserer Gesellschaft keinen Platz.
    Wir schieben es weg.
    Wir schauen weg.

    Aus Angst, aus Gleichgültigkeit, aus Bequemlichkeit.
    Leiden wird verdrängt, weggeschoben, ignoriert.
    Die Tür zum Leiden, sie bleibt meist fest verschlossen.
    Vielleicht tun wir uns deshalb mit der Pandemie so schwer.

    Heute am Karfreitag aber können wir nicht anders.
    Wir müssen diese Tür öffnen.
    Und wir können es.
    Denn der Knecht Gottes ist der Bruder im Leiden.

    Jesus kennt das Leiden unserer Welt. Bei Jesus geschieht das nicht erst in den letzten Lebenstagen.
    Jesus, der Mann aus Nazareth, hatte immer ein Herz für die Leidenden und er hat die Begegnung mit Leiden, mit Leidenden gesucht.
    Die Geschichten, die uns die Evangelien erzählen, sind voll davon.

    Jesus holt Zachäus, den kleinen und von allen verachteten Zöllner, von einem Baum herunter – weg aus seiner Isolation hinein in die Gemeinschaft.
    Jesus sucht den Kontakt zu Aussätzigen, den Ausgestoßenen der damaligen Gesellschaft, den Unreinen – und gibt ihnen neues Leben.
    Jesus bewahrt die Ehebrecherin vor dem Tod durch Steinigung und stellt diejenigen bloß, die sich selbstgerecht zum Richter über sie aufspielen wollen.
    Jesus heilt das Kind des römischen Hauptmanns, des Vater, der vor Sorge fast außer sich den Weg zu Jesus ging – er heilt es durch sein Wort.
    Jesus berührt die Frau, die lange Jahre ihres Lebens nur gekrümmt gehen lernte, den Blick nur auf den Boden gesenkt – und richtet sie auf.
    Jesus stillt die Sehnsucht und den Lebensdurst der Frau am Brunnen – und schenkt ihr neuen Lebenssinn.
    Jesus heilt Blinde, Taube und Lahme – und wendet sich denen zu, die ihr Leid sprachlos gemacht hat.
    Mit offenen Augen, hilfsbereiten Händen und ohne Angst begegnet Jesus leidenden Menschen – und er hilft, wo er kann.
    Er hielt die Tür zum Leiden, zu den Leidenden immer offen. Sein ganzes Leben war ein Kampfansage gegen das Leiden.

    Weil Jesus auf der Leite der Leidenden steht – um Gottes Willen – deshalb bleibt ihm nichts erspart.
    Nicht die Einsamkeit in Gethsemane, von Gott und den Menschen verlassen.
    Nicht der Spott und der Hohn der Massen, weder Folter noch Schmerz noch der Tod, der erbärmliche Sklaventod am Kreuz.
    Jesus geht den Weg zum Leiden konsequent bis zum Ende.
    Er schließt seine Tür auch nicht vor dem Leid, als es ihn selbst trifft, bis ins Sterben, bis in den Tod hinein.

    Ohnmächtig schreit er am Kreuz:

    Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

    Lutherbibel Psalm 22,2

    Und in seinen Schrei mischen sich die unzähligen Schreie, das unzählige Stöhnen und Seufzen von Menschen, die wie Jesus fragen:
    Warum, Gott, warum?
    Jesus, ein Mensch der Schmerzen, der unzählige andere im Schmerz tröstet.
    Der Geplagte und Gemarterte, er wird zum Bruder der Leidenden.
    Wenn ihm auch die Hände gebunden sind, so kann er doch trösten.
    Mehr sogar als Gesunde.

    Das ist der eine Grund, warum die Jünger Jesu das Lied vom Gottesknecht aufhorchen lässt.
    Ein zweiter kommt dazu.
    Dieser Tote im Lied des Jesaja hat sein Leiden angenommen.
    Bewundernswert, wenn ein Mensch es schafft, Ja zu sagen zu seinem schweren Schicksal.
    Dieser Tote freilich, Knecht Gottes genannt, er hat noch weit mehr getan.
    Er hat das Leiden anderer auf sich genommen. Er hat sich aufladen lassen, was er gar nicht auf sich nehmen musste.

    Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt

    Lutherbibel Jesaja 53,5b

    Hier erst kommt das Lied zu seinem vollen Klang.
    Leiden für andere.
    Wenn bei uns einer für den anderen etwas tut, wenn einer für den anderen sich einsetzt, vielleicht sogar aufopfert, dann machen wir schnell eine Gegenrechnung auf:
    Ich habe dich großgezogen. Jetzt bitte sorge für mich.
    Nicht so der Knecht Gottes.
    Er mach keine Gegenrechnung auf.

    … und tat seinen Mund nicht auf …

    Lutherbibel Jesaja 53,7

    Er beschwert sich nicht.
    Er lässt es geschehen, was andere ihm zufügen.
    Er ist wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird.
    Also jemand, der seine Schäfchen nicht ins Trockene bringt. Sondern vielmehr sich selbst einsetzt und dran gibt.
    Er präsentiert nicht irgendwann die Rechnung, er gleicht sie selbst aus.
    Nahezu unvorstellbar in einer Gesellschaft, in der für alles bezahlt werden muss.

    Spätestens an dieser Stelle geht ein Staunen durch das Lied.
    Was als Klage über ein bedauernswertes Schicksal begonnen hat, wird nun ein Ausruf der Verwunderung.
    Hier ist ein Erfolgloser, dem das Unmögliche gelingt.
    Ein Entstellter, der alles an die richtige Stelle bringt; ein Kranker, der heilt; ein Geschlagener, der tröstet; ein Sterbender, der Leben verbreitet; ein Entwürdigter, der Würde ausstrahlt.
    Einer, von dem Überzeugungskraft ausgeht wie von keinem sonst.

    Siehe, meinem Knecht wird’s gelingen

    Lutherbibel Jesaja 52,13

    Das spüren viele.
    Wir spüren, dass von Jesus, dem Gottesknecht, keine Vorwürfe kommen, keine offenen und erst recht keine versteckten.
    Er gibt sein Leben dran und trägt die Lasten anderer.
    Das Leiden und auch die Schuld.
    Er lässt sich aufpacken, was andere für sich nicht tragen können.
    Er lässt sich anhängen, was andere nicht haben wollen.

    Er wird verachtet, verflucht.
    Er wird zum Verbrecher.
    Ohne Schuld und doch schuldig.
    Ohne Last und doch belastet.
    Er stirbt als Verbrecher ohne Ehre am Kreuz.

    Aber da ist diese Lied.
    Und auf einmal bringt es mit sich die Erkenntnis:

    Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen.

    Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.

    Lutherbibel Jesaja 53,4.5

    Das ist also das Zweite, wovon unser Lied erzählt.
    Nun könnte aus dem Trauerlied eigentlich ein Freudenlied werden.
    Freude und Dankbarkeit für den Knecht Gottes, in dem die ersten Christen Jesus wieder erkannt haben.
    Doch so schnell wird der Schrecken nicht überwunden.

    Der Todesschrecken und die Verlassenheit und die Angst und die Verzweiflung sind auch aus dem Leben Jesu nicht zu streichen.
    Lähmendes Entsetzen hat sich bei seinem Tod auf die Menschen gelegt.
    Aber mit Hilfe jenes Liedes vom Gottesknecht aus Jesaja 53 brach sich die Erkenntnis Bahn, dass der freiwillige Gang Jesu ans Kreuz ein Segen für die Menschheit war.
    Nun werden sie sprachlos.
    Die Völker kommen ins Staunen und die Könige müssen verstummen.
    Sie alle werden nicht den Weg Jesu gehen, aber alle kommen nicht an ihm vorbei.

    Er, der Geplagte und Verscharrte, trägt nun die Welt.

    2 Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte.
    3 Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit.
    Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.
    4 Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.
    5 Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.

    Lutherbibel Jesaja 53,2-5

    Amen

  • Predigt über Hebräer 11,1-2.39b-40; 12,1-3

    Predigt über Hebräer 11,1-2.39b-40; 12,1-3

    Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht

    Luterbibel Hebräer 11, 1

    So fängt unser heutiger Predigttext in der Lutherbibel an. Die Volxbibel übersetzt den ersten Vers aus Hebräer 11 mit:

    Wie geht das jetzt überhaupt, zu glauben?

    Glauben bedeutet, dass man auf etwas hofft und ganz fest darauf vertraut, dass es auch passiert, und dass man Sachen einfach weiß, obwohl man sie nicht beweisen kann.

    Volxbibel Hebräer 11,1

    In beiden Auslegungen ist mit dem Glauben ganz stark die Hoffnung verknüpft.

    Wer sich in der Welt eingerichtet hat.

    Wer die jetzige Weltordnung gut findet, der ist wunschlos und hoffnungslos glücklich.

    Hoffnungslos unglücklich ist derjenige, der nicht daran glaubt, dass sich seine Situation verändern könnte.

    Hoffende Menschen sind mit der Welt, so wie sie ist, nicht zufrieden.
    Sie sehnen sich nach einer anderen, einer neuen Welt.

    Heute ist Palmsonntag

    Jesus reitet nach Jerusalem,
    heute,
    genauso wie vor 2000 Jahren.

    Erinnert euch!

    Wir bereiten ihm den Weg,
    wir kommen ihm entgegen,
    wir rufen „Hosianna du Sohn Davids!“,
    wir reißen Palmenzweige ab und
    werfen sie auf den Weg und
    dann vergessen wir ihn.

    Wir werden mit ihm im Garten Gethsemane essen und trinken
    und wir werden weinschlafen.
    „Bleibet hier und wachet mit mir!“ ruft er uns zu,
    doch wir schlafen ein.

    Und dann werden wir ihn verleugnen, wenn er verurteilt wird.
    Wir werden weglaufen und nichts verstehen.
    Nicht nur die Jünger verstanden es nicht, wir verstehen es doch auch nicht.

    Wir haben Angst und laufen weg.
    Das gehört zur Passion.

    Und dann ist da der eine, mit Jesus am Kreuz, der sagen wird:
    „Jesus erinnere dich an mich, wenn du in dein Reich kommst.“

    Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft,
    und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.

    Luther Hebräer 11,1

    Unsere Vorfahren hatten diese Art von Glauben,
    darum sind sie unsere Helden.
    Weil wir an Gott glauben und Ihm vertrauen,
    wissen wir,
    dass alles,
    was es auf dieser Welt gibt,
    von ihm gemacht wurde.
    Er hat einfach gesagt, dass es passieren soll, uns so ist das ganze Universum aus dem Nichts entstanden.

    Volxbibel Hebräer 11, 2-3a

    Die Ahnenreihe unserer Helden ist im heutigen Predigttext ausgespart worden.
    Dieser schöne, berührende und bewegende Teil im 11. Kapitel des Hebräerbriefes ist einfach zu lang.
    Wir haben in der Schriftlesung einen Auszug davon gehört.

    Es sind lauter biblische Gestalten und Glaubenszeugen.
    Abel, Noah, Abraham und Sarah, Jakob und Josef. Schließlich bricht der Briefschreiber ab und seufzt:

    Und was soll ich noch mehr sagen?
    Die Zeit würde mir zu kurz, wenn ich erzählen sollte von Gideon und Barak und Simson und Jeftah und David und Samuel und den Propheten.

    Luther Hebräer 11, 32

    In Kapitel 12 Vers 1-3 hören wir

    Darunm auch wir:
    Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns umstrickt.
    Lasst uns laufen mit Geduld in den Kampf, der uns bestimmt ist,
    uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens,
    der,
    obwohl er hätte Freude haben können,
    das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes.
    Gedenkt an den,
    der so viel Wiederspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat,
    dass ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.

    Luther Hebräer 12, 1-3

    Der Autor des Hebräerbriefes nennt diese vielen Geschichten und Gestalten:

    Eine Wolke von Zeugen.

    Das ist ein schönes Bild und zugleich eine Anspielung auf eine biblische Geschichte.

    Als sein Volk Israel aus der Sklaverei befreite, ist er selbst mitgegangen.
    Er ist mitgewandert auf dem Weg durch die Wüste und hin zum versprochenen Land der Freiheit.

    In Gestalt einer Wolkensäule.

    Mit dieser Wolkensäule sind die Helden der Bibel zu vergleichen.

    Und durch sie begleitet uns Gott selbst.

    Natürlich sagt er uns mit der Erinnerung an die Wüstenwanderung auch:
    Wir sind noch nicht am Ziel.
    Noch nicht im Reich Gottes.
    Nicht im Reich der Freiheit.
    Sondern wir sind noch unterwegs, müssen Durststrecken durchhalten.
    Wir müssen Durchhalten, Aushalten, Ausharren.

    Darum dürfen – nein – müssen wir hoffen.

    Nein, wir dürfen nicht glauben, dass es für unsere Welt keine Hoffnung gibt.

    Jesus Christus reitet nach Jerusalem, weil es eben noch lange nicht vollendet ist.
    Die Welt ist noch nicht so, wie sie sein könnte.
    Wir wünschen uns eine andere, eine bessere Welt.

    Gott will eine bessere Welt und dafür braucht er uns.

    Dich und mich.

    Er reitet nach Jerusalem in der Hoffnung,
    dass wir dieses Jahr nicht einschlafen,
    dass wir ihn dieses Jahr nicht verleugnen,
    sondern ausharren unter dem Kreuz.

    Er reitet nach Jerusalem in der Hoffnung,
    dass wir es schaffen,
    die Menschen zu sein,
    als die wir erinnert werden wollen.

    Menschen, die in der Wolke der Zeugen vorkommen.
    Menschen, an die sich Gott erinnert, wenn er in sein Reich kommt.

    Diese Menschen hatten eins gemeinsam:
    Gott freute sich voll über sie, weil sie ihm so sehr vertrauten.
    Und trotzdem haben sie das Versprechen, dass Gott allen gegeben hat, noch nicht zu ihren Lebzeiten erleben können.
    Denn Gottes Plan war besser als das.
    Er wollte, dass wir alle gemeinsam am Ziel ankommen.

    Volksbibel Hebräer 11, 39-40

    Unsere Mitmenschen brauchen uns.
    Die Welt braucht uns.
    Gott braucht uns.

    Jeden einzelnen Menschen.

    Denn ohne uns gibt es keine Zukunft.

    Gott braucht uns, erinnert euch daran!

    Amen.