Kategorie: Dettenhausen

  • Predigt zu Philipper 3,4b–14 aus der Sicht eines Prätorianers erzählt

    Predigt zu Philipper 3,4b–14 aus der Sicht eines Prätorianers erzählt

    Predigt zu Philipper 3,4b–14 am 9. Sonntag nach Trinitatis in der Dettenhäuser Johanneskirche am 16.08.2025

    Hören wir auf unseren heutigen Predigttext aus dem Brief an die Philipper 3,4b-1

    Einleitung

    Liebe Schwestern, liebe Brüder,

    wir haben Worte des Paulus gehört – geschrieben aus dem Gefängnis.
    Er schreibt sie an die Gemeinde in Philippi, doch er schreibt sie auch mit Blick auf sich selbst: seine Geschichte, seinen Glauben, seine Hoffnung.
    Und er tut das nicht mit Stolz, sondern mit einer tiefen Demut, aus der eine große Kraft spricht.

    Stellen wir uns vor:
    In der Stille dieser Zelle –
    zwischen Wänden aus Stein und unter den Blicken römischer Soldaten –
    sitzt einer und schreibt und redet.
    Und vielleicht ist da einer und hört ihm zu.
    Ein Prätorianer.
    Einer der römischen Elitewache.
    Ein Mann, geschult in Stärke, Disziplin, Gehorsam.
    Er hat Paulus bewacht.
    Er hat gesehen, gehört, gestaunt.
    Und vielleicht: begonnen zu glauben.

    Die folgende Predigt ist ein Versuch, durch seine Augen zu sehen.
    Ein römischer Soldat,
    der uns erzählt –
    von seinem berühmten Gefangenen.
    Von einem, der in Ketten frei war.
    Und von dem Gott,
    der nicht auf Leistung schaut,
    sondern aufs Herz.

    Hören wir ihm zu.


    I. Mein Name tut nichts zur Sache

    Mein Name tut nichts zur Sache.
    Ich war Prätorianer.
    Einer von vielen.
    Einer, der Wache hielt.
    Auch bei diesem merkwürdigen Gefangenen.
    Paulus, so nannte er sich.

    Ich habe viele bewacht.
    Manche weinten.
    Manche fluchten.
    Manche versuchten zu bestechen.
    Aber dieser?
    Er schrieb Briefe.
    Er betete. Laut, manchmal. Leise, oft.
    Und er sprach. Mit uns. Mit mir.

    Er sprach, als hätte er Zeit.
    Als hätte er Hoffnung.
    Als wäre er frei.

    II. Der Mann mit dem Feuer in den Augen

    Am Anfang lachte ich darüber.
    Ein Mann, gefesselt, mit Ketten an den Handgelenken – und doch voller Zuversicht?
    Ich hatte viele Gefangene gesehen.
    Aber keiner war wie er.

    Er sprach von einem Mann namens Jesus.
    Nicht wie ein Lehrer von seinem Meister.
    Nicht wie ein Fan von seinem Idol.
    Sondern wie einer, der ihm begegnet war. Wirklich begegnet.

    Er sagte: Alles, was ich früher war – mein Wissen, meine Herkunft, mein Eifer – es zählt nicht mehr.
    Früher war ich stolz auf meine Herkunft. Auf mein Gesetzeswissen. Auf meine religiöse Reinheit.
    Jetzt aber weiß ich: Es hat mich von dem ferngehalten, der mich liebt.

    Und dann sagte er diesen Satz: „Was mir Gewinn war, das ist mir nun Schaden.“

    Ich verstand das nicht gleich.
    Aber ich spürte: Da hatte einer erkannt, dass man auf dem falschen Weg gewesen sein kann – mit besten Absichten.
    Und dass man umkehren kann.
    Nicht aus Schwäche.
    Sondern weil man der Wahrheit begegnet ist.
    Und: Dass es nie zu spät ist.

    Das traf mich.
    Denn auch ich trug Dinge mit mir.
    Verlorenes.
    Versäumtes.

    III. Ein neues Ziel

    Er redete von einer Gerechtigkeit, die nicht aus Leistung kommt, sondern aus Vertrau
    Nicht durch Erfüllung des Gesetzes, sondern durch Glauben.
    Das war neu für mich.
    Radikal neu.

    In meiner Welt galt:
    Wer stark ist, hat recht.
    Wer schwach ist, verliert.

    Doch er sagte:
    Gott sucht nicht die Starken.
    Er sucht die, die loslassen können.

    Er sprach von einem neuen Ziel: Jesus erkennen.
    Nicht nur mit dem Verstand – sondern mit dem Herzen.
    Mitten im Leben und deshalb auch im Leiden.

    „Ihn erkennen“ – das war für ihn mehr als Wissen.
    Es war Beziehung. Nähe. Trost.

    Vielleicht ist das das größte Geschenk, das ich aus diesen Tagen mitnahm:
    Dass Gott nahe kommt.
    Auch mir.
    Auch wenn ich nichts vorzuweisen habe.
    Dass ich nichts beweisen muss.
    Dass ich gehalten bin.

    IV. Ich erinnere mich an seine Hände

    Seine Hände zitterten manchmal beim Schreiben.
    Er war nicht jung.
    Nicht stark.
    Und doch – etwas an ihm war unerschütterlich.

    Wenn er betete, schloss er die Augen, als würde er wirklich jemandem gegenüberstehen.
    Wenn er von Christus sprach, wurde seine Stimme weich. Und fest zugleich.

    Ich begann, ihm Fragen zu stellen.
    Über Gott.
    Über Schuld.
    Über Hoffnung.

    Er hörte zu.
    Er war nicht aufdringlich.
    Aber er ließ mich spüren: Ich bin gemeint.

    Das war neu für mich.
    Dass einer wie ich – mit Blut an den Händen, mit Mauern im Herzen –
    von Gott gewollt sein sollte.

    V. „Ich jage ihm nach“

    Einmal sprach er lange über einen Gedanken, der ihn umtrieb:
    „Ich jage ihm nach.“

    Er meinte Jesus.
    Nicht so, als wäre Jesus fort.
    Sondern als wäre da ein Ziel, ein Ruf, ein Licht – dem er folgen will.

    Nicht, weil er Angst hatte.
    Sondern weil er geliebt war.
    Und dieser Liebe ganz gehören wollte.

    Ich dachte: „Wie kann einer, der eingesperrt ist, vom Laufen sprechen? Vom Rennen?“
    Aber ich verstand: Es ist ein innerer Weg.
    Ein Weg, den ich nie aufhören werde zu gehen.
    Auch dann nicht, wenn ich falle.

    VI. Was hinter mir liegt

    „Ich vergesse, was hinter mir liegt“, sagte Paulus.
    Nicht weil es ihm egal war. Sondern weil er es Christus anvertraute.

    Er sprach nicht viel über seine Vergangenheit.
    Aber wenn er es tat, dann mit Tränen.
    Und mit der Hoffnung, dass nichts verloren ist, was Gott berührt hat.

    Ich begann, über mein eigenes Leben nachzudenken.
    Was ich verdrängt hatte.
    Was mich hart gemacht hatte.
    Und was ich loslassen müsste – wenn ich frei werden wollte.

    VII. Was vor mir liegt

    Er sprach vom Ziel.
    Vom Preis der himmlischen Berufung.
    Nicht als Belohnung für Tüchtige.
    Sondern als Zusage für die, die Christus vertrauen.

    Es war kein Leistungsdenken mehr in ihm.
    Kein „Ich muss…“ – sondern ein „Ich darf…“

    Ich glaube, das hat mich am meisten bewegt.
    Dass dieser alte, gefesselte Mann sagen konnte: „Ich bin unterwegs.“

    Und dass er dabei Frieden ausstrahlte.
    Nicht Gleichgültigkeit, sondern Zuversicht.

    VIII. Ich verstand nicht alles. Aber ich hörte

    Ich verstand nicht alles, was er sagte.
    Aber ich hörte.
    Immer wieder. Immer tiefer.
    Und eines Tages spürte ich: Etwas in mir verändert sich.
    Nicht plötzlich.
    Nicht dramatisch.
    Aber leise.
    Wie Tau auf trockenem Boden.

    Ich begann zu glauben,
    dass dieser Jesus auch für mich gekommen war.
    Dass es Gnade gibt.
    Nicht als Idee.
    Sondern als Hand, die mich hält.

    Vielleicht ist das die größte Wahrheit, die ich lernte:
    Dass Gott mir begegnet – nicht am Ende, wenn alles gut ist –
    sondern auf dem Weg.
    Mitten im Chaos.
    Mitten in der Frage.
    Mitten im Jetzt.

    IX. Und heute?

    Ich weiß nicht, was aus Paulus wurde.
    Man sagte, er sei nach Rom gebracht worden.
    Später hörte ich: Er sei getötet worden.

    Aber seine Worte – sie leben in mir weiter.
    Sie tragen mich.

    Ich habe nicht alle Antworten.
    Aber ich habe eine Richtung.

    Ich weiß jetzt:
    Es zählt nicht, was ich war.
    Oder was ich geleistet habe.
    Sondern wem ich gehöre.
    Und wer mich liebt.

    Paulus hat es uns gezeigt:
    Der Weg ist offen.
    Für jeden.

    Und Jesus Christus?
    Er ist schon unterwegs.
    Auf dem Weg zu uns.

    Amen

  • Winterweg im Schaichtal

    Winterweg im Schaichtal

    An der Schaich entlang